Der Ahn und die Erben
Er erhob sich von seiner Bank, der Walther, nach der Pause und begab sich zum schnaufenden, zischenden Gefährt, das man Lokomotive nannte, der Nachfolger seines Kutschengewerbes, welches er aufgeben musste, weil nicht mehr gefragt. Die wenigen Kutscher, die mit ihren Stallburschen übrig geblieben waren, mussten nun kurze Strecken fahren, die das Dampfross nicht zurücklegen konnte, da es ja an eisernen Schienen gebunden war und nicht mal eben rechts abbiegen konnte, sondern den Schienen wie angenagelt folgen musste. Entgleiste das Ross, weil sich der Abstand der Schienen verändert hatte, war das alles andere als lustig, merkte man das nicht, konnte das Ross schon mal umkippen und kam sehr schwer wieder auf seine 6 Räder, die jeweils links und rechts zu einer Achse verbunden waren, vorn lief noch ein sogenanntes Laufradpaar. Aber so etwas hatte sie nur einmal in den 10 Jahren, die das Wunderding für Walthers empfinden, schon lief. Wunder, man schmiss schwarze Kohlen in das Feuerloch, das man danach zumachte, die entzündete sich an der Glut und erhitze Wasser, das zu Dampf wurde und mit hohem Druck in die Kolben strömte, um durch seine Kraft diesen zu bewegen und damit über Stangen die Lok. Walther hatte das Prinzip schon verstanden, hatte schon einmal geheizt, durfte aber noch nicht auf das Stahlross bei Wind und Wetter. Noch musste er auch bei Wind und Wetter Weichen legen, Signale geben, damit der Zug fahren konnte. Erst etwas später startete er die Dynastie von Lokheizern und Fahrern, wie man früher sagte.
Das war sein Ur-Ur-Urgroßvater, wie viel Uren das waren, hatte Walter nicht mehr auf dem Schirm, nur das er wie dieser Erste hieß, aber heute nicht mehr mit dem H.
Er wiederum, der Urenkel, nahm lächelnd Abschied von dem Ross, welches vor ihm stand, heute auch warm, als Museumsfahrt, die er nicht fahren konnte, weil er keinen Dampf mehr gemacht hatte, weder den Heizer, noch den Lokführer, wie sie sich heute nannten. Schade dachte er, er hätte sich wie sein Ahn fühlen können.
Er ging nun einige Schritte zu einem Triebwagen, der auch schon historisch war, aber mit Diesel fuhr, dem Panoramawagen, den es nicht sehr oft gegeben hatte und sollte diesen nun nach der Besichtigung wieder mit den Gästen Heim fahren.
Am nächsten Tag würde er in eine der stärksten Lok steigen, die mit Strom fuhr, 15000 Volt, 16-⅔-tel Herz um wieder eine lange Schicht mit dem Taurus zu fahren, die ihn fast 600 km weit bringen würde und wieder zurück, das heute in 10 Stunden, was damals Tage gedauert hätte, wenn es schon diese Strecken gegeben hätte. Stolz erfüllte ihn, einer von denen zu sein, die das als Lebensaufgabe hatten, sein Großvater, der Ur-Ur-Ur, musste allerdings sein Leben radikal ändern, weg von den Pferden, dem Stellmachen, der Kutsche. Nur, dass man damals alle Kutscher mitnahm, die Stallburschen, alle, die dort arbeiteten, weil man ja die Menschen brauchte. Alle!
Frama 2022-11-19