Das Dorf

Es scheint fast so, als würden sich meine Lebensumstände, in absehbarer Zeit dahingehend ändern, dass sich ein größeres literarisches Projekt wieder lohnt.
Es ist also durchaus nicht abwegig, jetzt eine Grundidee für diesen Fall anzudenken. Ob es der Mühe Wert ist, oder nur der eigenen Eitelkeit dient, mag an der Stelle der profunde Leser beurteilen.

Das Dorf

Drei Linden ein Ort in die Landschaft gestellt, wie ein Halteverbotsschild, am Ende der Straße. Die Spuren in den Landstrich gedrückt, von Traktorreifen und Viehabtrieb. Haus und Grund bei den Plummers geräumig genug, um drei Generationen zu beherbergen. Die letzten Sonnenstrahlen warfen ihr Licht durch das kleine Wäldchen von der Anhöhe hinter dem Gutshof. Irgendwo bellte ein Hund. Im Stall oder möglicherweise in der Scheune. Es war noch zu weit weg, für den näher kommenden Trecker. Alsbald ging das Bellen in ein qualvolles Jaulen über und verstummte abrupt.
Ich hätte den alten Köter schon längst erschlagen sollen, verkündete der Bauer, als der Ortsvorsteher vom Traktor abstieg, um die gemeinschaftlich genutzte Dreschmaschine abzuspannen. Deine Sache murmelte dieser, ohne aufzusehen. Hier in Drei Linden gab es keine Verbrechen, nur verschiedene Ansichten. Man mischte sich nicht in fremde Angelegenheiten. Jeder Hof war ein in sich geschlossener Bereich, und das Dorf eine Insel im Niemandsland.

Fünf Uhr morgens, ein lautes Klagerufen durchbrach die Stille am Plummerhof; Oh Gott, Oh Gott, Oh Gott, die alte Plummer klang wie eine sterbende Krähe. Der Bauer stürmte mit nackten Oberkörper auf den Hof. Gottverdammtes, verschissenes Mistvieh verfluchtes, er spuckte die Wörter förmlich aus. Die alte Bäuerin kniete vorm Hühnerstall, die Arme beschwörend zum Himmel gereckt. Ein Huhn hing mit abgerissenen Flügel im Zaun, ein anderes lag rücklings mit abgebissenen Kopf auf dem Misthaufen. Der Fuchs hatte ganze Arbeit geleistet. Pepi der Jüngste der vier Kinder am Hof, stolpert verschlafen aus dem Haus: Gell Papa, der Bello hätte den Fuchs verjagt! Sei stad Bub sonst…! Die Hand des Bauern schwang drohend nach oben. Plummer stampfte wütend ins Haus, und erschien mit einer Jagdflinte wieder auf dem Hof. Na warte, Kanaille! Er öffnete die Büchse und schob zwei Patronen hinein. Wortlos streifte er sein Hemd über und lief wie ein alter Fährtenleser auf die Waldlichtung zu. Es war noch recht dunkel um diese Jahreszeit, die Morgendämmerung und der Tau lag wie ein nasses Tuch über den Blättern der Bäume. Mehr und mehr kroch die Kälte in seine Kleidung und lies ihn an der Sinnhaftigkeit diese Unterfangens zweifeln. Er war kurz davor umzukehren als sich etwas im Gebüsch bewegte. Der Bauer zuckte zusammen, dann riss er die Flinte hoch und schoss. Es war ihm, als hörte er ein leises Aufstöhnen, danach das Geräusch eines fallenden Körpers.

Hast du ihn erwischt? Die alte Bäuerin sieht ihren Sohn erwartungsvoll an. Der streunt nicht mehr auf unserem Hof rum, antwortet der Bauer fast beiläufig und mit einen Blick auf die beiden älteren Buben fügt er fragend hinzu: Ist der Stall schon ausgemistet, in einer Stunde kommt der Schulbus, und Frühstücken wollt ihr ja auch noch! Sepp du zitterst ja! Helli sieht besorgt auf seine zitternden Hände. Ist saukalt, lass uns reingehen Weib. Der Bauer stellt die Flinte in den Schrank und atmet hörbar aus. In einer Stunde wird es hell, dann grabe ich das Vieh ein, Muttern nickt kurz und setzt sich an den Frühstückstisch. Helli setzt den Kaffee auf. Ein Leib Brot, frische Butter, Wurst, Käse und die letzten eigenen Eier kommen auf den Tisch. Das Brotmesser legt Sie an das obere Ende des Tisches, wo der ihr Mann als Familienoberhaupt seinen Platz hat. Rechts von ihm hielt die alte Bäuerin die Stellung, deren Anspruch noch vom alten Bauern vererbt war. Helli ist in den Hof eingeheiratet und hat ihren Platz am anderen ende des Tisches. Sie war ein gutes Weib, gesund, geduldig, und auf einem großräumigen Gut aufgewachsen. Sie hatte Hauswirtschaft studiert, und wußte, wo ihr Platz ist. So ist es nicht verwunderlich, das beide Eltern mit der Hochzeit einverstanden, und der Hof mit Kindern gesegnet ist. Die beiden älteren Burschen kommen jetzt zuletzt an den Frühstückstisch. Der Bauer schneidet das Brot und teilt jedem ein Stück zu. Der Plan für den Tag wird besprochen, soweit es nötig ist, alles geht seinen gewohnten Gang. Die alte Bäuerin kümmert sich um die toten Hühner, Helli um den Garten und den Speiseplan für den Tag. Die Kinder machen sich auf den Weg zur Schule. Alle sind beschäftigt, das ist gut so. Denn als der Bauer den Spaten holt, und in Richtung Wald stiefelte, waren neugierige Blicke, das Letzte, was er brauchte. Die Weiber waren noch bei der Arbeit und die Kinder in der Schule, als er den Spaten am Brunnen reinigte, und wieder in den Stall stellte. Es war Zeit die Kühe zu melken.

Es ist mittlerweile Mittag geworden, der Postbus der dreimal am Tag das Dorf anfuhr um Schüler und Arbeiter an ihren Bestimmungsort, beziehungsweise nach Hause brachte, kündigte mit einem dreisilbrigen Signalton, sein kommen an. Niemand konnte sagen, warum nebst dem Gemeindehaus, alle Stationen neben einer Gastwirtschaft standen, es gab davon aber auch nur zwei. Der Müllerwirt hatte so eine Wirtschaft, und ist außerdem noch Mitglied im Gemeinderat. So erfuhr man an dieser Stelle zuverlässig , welche für den Ort relevante Veränderung der Bezirksvorstand plante. Und so mancher Pensionär mutierte bei der Gelegenheit hier zur politischen Lichtgestalt. Daschossn gehörns alle! Der alte Meierhofer klopft bedeutungsvoll auf den Stammtisch und schaut in die Runde. Jawohl, daschossn!
Der Meierhofer ist ein Fünfer - Jahrgang, also Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts geboren. Erster Weltkrieg, Rezession, Hyper-Inflation, wirtschaftlicher Zusammenbruch, Machtübernahme durch den Herren Hitler, Zweiter Weltkrieg, sowjetisches Zonengebiet. Alles dabei! Da er es aber immer verstand, sich rasch an die aktuelle Situation anzupassen, fiel es im auch nach dem verlorenen Krieg nicht schwer, sich nahtlos in das neue System einzufügen. Wenn Sozialismus und Planwirtschaft nun das Mittel der Wahl sind, mußte es sich zu seinem Vorteil wenden. Denn schließlich leugnete selbst die sozialdemokratische Arbeiterpartei ihren marxistischen Ursprung nicht. Er ist also in jedem Fall, auf der richtigen Seite. Nun ist er zugleich jemand, der sich immer wieder in die Gemeinschaft einbringt. Selbst jetzt in den sechziger Jahren, wo er seinen wohlverdienten Ruhestand genießt, nutzte er jede Gelegenheit zur Mitbestimmung. So ist es seine Idee die wegen Schülermangels geschlossen Volksschule, in ein Heimatmuseum umzufunktionieren. Gegen einen kleinen Obolus würde er auch den Museumsführer geben. Er könnte zweifelsfrei an dieser Stelle, die ein oder andere Anekdote zum Besten geben. Tatsächlich wurde seine Idee aufgegriffen, die Leitung aber, der ehemaligen Dorfschullehrerin übertragen, die schon für die Dorfchronik verantwortlich zeichnete. Sie war es auch die unter dem Motto Rock auf der Wiese, das alljährliche Freiluftkonzert am Ortsrand zu verantworten hatte. Nicht ganz zur Freude aller Dorfbewohner. Zumal sie in Zelten vagabundierten und Getränke sowie Verpflegung selbst dabei hatten. Doch der Gutsbesitzer und Ehemann der Besagten stellte den Grund zur Verfügung, und kam für die Kosten auf. So lies man es einmal im Jahr geschehen, wenn auch unter Vorbehalt.

Erwähnenswert in dieser Dorfgemeinschaft ist noch der Stangl-Bauer. Ursprünglich nur deshalb weil er, wie sein Vater schon, ein Sonderling ist. Sein Hof steht einige Kilometer hinterm Plummerwald am äußersten Zipfel des Ortes und wurde nur noch notdürftig in Schuss gehalten. Drei Kühe, ein paar Ziegen und Hühner, ein Acker kaum genug für den Eigenbedarf. Der Stangl hatte es nicht so mit den Leuten. Doch kurz vor Kriegsende, es mag dreißig Jahre her sein, kreuzte eines Nachts ein junges Mädchen in seinem Hof auf. Genau genommen schlich es sich verstohlen auf denselben. Das aufgeregte Gackern der Hühner hatte ihn damals veranlasst Nachts mit Flinte und Taschenlampe bewaffnet auf den Hof zu eilen. In Erwartung eines Fuchses oder Viehdiebs schob er den Lauf seiner Waffe vorsichtig in die Stallung. Dann leuchtete er selbst auf Deckung bedacht, denn Raum aus. Ganz in der hintersten Ecke des Raums kauerte eine Gestalt. Ein Mädchen, Frau oder ein zarter Knabe. Er konnte es bei dem Licht nicht genau sagen. Seine / Ihre Haare waren kurz gehalten und unter der vom Schweiß durchnässten Kleidung, schien außer Knochen nichts mehr zu sein.
Was machst du da, Lump!?
Bitte, ihre Stimme zitterte, als ob er der Leibhaftige wäre. Mit einem verärgerten Knurren stellte er die Flinte zur Seite und packte das Häufchen Elend am Kragen. Der Tonlage nach also eine junge Frau. Mehr Tod als lebendig. Wie eine nasse Katze zog er sie in den Kuhstall. Da oben im Heu, ist es wärmer als im Hühnerstall, aber morgen bist du weg! Dann holte er seine Waffe und ging wieder zu Bett.
Am folgenden Morgen breitete der Bauer ein Tuch auf den Tisch aus, legte ein Stück Speck und Ziegenkäse hinein, und gab eine Flasche Most dazu. Obgleich er hoffte, dass der ungebetene Gast so heimlich den Hof verlassen hatte, wie er ihn betrat, wollte er sich nicht nachsagen lassen, dass er ein Unmensch sei. Als er in den Stall ging und niemand darin vorfand, atmete er erleichtert aus. Eine Freude die nur kurz anhielt, denn als er sich umdrehte, stand das klapprige Ding direkt hinter ihm. In der Hand fünf Eier. Der Bauer sieht sie missbilligend an. Aha, also doch ein Eierdieb. Er wußte nicht ob sie ihn verstand, aber sie streckte die Arme aus und übergab ihm das vermeintliche Diebesgut wortlos. Der Bauer nahm den Hut vom Kopf, und legte die Eier hinein. Dann hob er das geschnürte Bündel hoch und gestikulierte, Essen, Trinken, Fortgehen.
In diesem Moment hörte man jenseits der Waldlichtung das Geräusch von Panzerketten und Lastwagen. Das dürre Ding, das noch immer vor ihm stand, wurde so kreidebleich, das er fürchtete, sie könnte im nächsten Moment Tod umfallen. Okay, er schaut zum Himmel, es wird bald Regnen, sagt er mehr an sich selbst gerichtet, und eventuell habe ich auch noch ein altes Hemd für dich übrig. Dann schob er sie ohne ein weiteres Wort ins Haus. Aber morgen, morgen haust du ab!
So verging ein Tag um den anderen. Aus Tagen wurden Wochen. Aus Wochen wurden Jahre. Die junge Frau erwies sich als gute Haushälterin und akzeptable Köchin. So kam es, dass sie auch heute noch, wo der Stangl Bauer alt und fast blind ist, hier am Hof die Wirtschaft aufrecht erhält. Aus dem klapprigen Gestell von damals war ein prachtvolles Weib geworden mit allen Möglichkeiten, die sich daraus ergaben. Aber Maria, so hatte sie der Bauer umstandshalber getauft, blieb auf dem Hof. Obgleich man Sie im Dorf immer noch mißtrauisch, ja zeitweilig sogar feindselig beäugte. Und sich nachts immer wieder junge Männer durch den Plummerwald schlichen, und sie auf eindeutige weise, bedrängten. Es wurden Wetten abgeschlossen, wer sie zuerst flachlegen konnte. Doch sie ertrug dass alles geduldig. Man fragte sich, wer diese Frau ist, und was zum Henker hielt sie hier, auf einem heruntergekommenen Hof am Arsch der Welt?

Hallo Noname, das Ding ist alles in allem okay, aber du hast ein paar Stilbrüche drin, die mir nicht gefallen. Du sprichst zuerst von Trecker und Viehabtrieb. Das eine ist nord-, das andere süddeutsch. Dann fällt der Ausdruck Kanaille, der ist in dem Umfeld geläufig? Das würde mich wundern, da er französischen Ursprungs ist, vielleicht eher am Rhein. Dann schreibst du was von Sozialismus und ich denke, ist er jetzt in der SBZ? Viehabtrieb und Dialekt gibts aber so nur in Bayern. Zudem musst du den Unterschied zwischen tot und Tod unbedingt lernen, das eine (tot) ist ein Adjektiv, totgeschlagen, totstellen, etc, das andere ein Nomen. Der Tod steht ihr gut, der Tod kam um vier.

Aber wen der Bauer daschoss’n hat, würde ich trotzdem gerne wissen.

Nach meinem Empfinden - ja.
Die dörfliche „Idylle“ hast Du gut eingefangen und mit gelungenen Beobachtungen unterlegt, die Frage, was oder wen Bauer Plummer im Wald vergraben hat, macht’s spannend.

Viele Schreibfehler, Wechsel der Erzählzeit und die fehlende Hervorhebung von Rede durch Anführungszeichen machen (mir) allerdings das Lesen schwer. Sollte der Verzicht auf Anführungszeichen gewollt sein, solltest Du meiner Meinung nach zumindest durch Absätze verdeutlichen, wo der Sprecher wechselt.
Da ich annehme, dass Du hier die „angedachte Grundidee“ und damit eine Rohfassung gepostet hast, mag ich jetzt auf entsprechende Stellen aber nicht eingehen.
Ausnahme: Der erste Satz.

Den finde ich klasse, würde ihn aber kürzen, damit er mehr Wumms kriegt. Etwas wie

    Drei Linden: Ein Ort, in die Landschaft gestellt wie ein Halteverbotsschild.

Gruß,
misc

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Natürlich ist deine Kritik berechtigt. Jedoch sind einige Abweichungen, durchaus bewußt gewählt Der Trecker zb. als Formulierung wurde ergänzend gewählt, um Wortwiederholungen zu vermeiden. Der Ausdruck Kanaillie scheint mir allg. Sprachgut zu sein. Die Frage, wenn der Bauer daschoss`n hat lasse ich bewußt im Raum stehen.
Ansonsten nehme ich die Kritik aber gerne an.