Charaktere und dann?

Hallo,

ich weiß, seit meiner Anmeldung hier habe ich mich ziemlich bedeckt gehalten. Mitgelesen habe ich, doch gab es nirgends ein Thema, bei dem ich weiterhelfen konnte.

Ich hoffe, es ist jetzt trotzdem nicht zu unverschämt, wenn ich um Hilfe bitte.

Folgendes:

Ich entwickle meine Stories immer über die Charaktere, d. h. ich erschaffe Charaktere, die mich (und hoffentlich andere auch!) faszinieren ud daraus entwickelt sich dann die Story. Bisher hatte ich damit auch kein Problem. Bis jetzt!

Ich habe einen faszinierenden Prota und einen ebenbürtigen und ebenfalls faszinierenden Anta, einen Halb- und einen Voll-Psycho, die ich nun beide aufeinander loslassen will. Persönliche Ebene ist auch gegeben, auf der einen Seite Hass und Rache (von meinem Prota) und Faszination und den Willen, einen ebenbürtigen oder gar überlegenen Gegner auszuschalten auf Seiten des Antas. Ich habe den Hintergrund der Story, die Hauptfiguren, den Start und weiß, wie es ausgehen soll (ok, nichts Neues, der Prota überlebt!). Was ich nicht weiß: Wie, zum Teufel, komme ich dahin?

Wie gesagt, bisher hatte ich das Problem noch nicht. Hatte ich die Charaktere, den Hintergrund, den Start und das Ende wusste ich auch, wie ich dahinkomme.

Habt ihr eine Idee, wie ich die Lücke füllen kann?

Vielen Dank im Voraus.

LG

Sheila

Aw: Charaktere und dann?

Es hört sich ein wenig an, als würdest du Gefahr laufen, dass dein Plot deine Charaktere antreibt, statt umgekehrt. Einen groben Umriß mit einem gewünschten Ziel zu schreiben ist ja okay, aber ich würde einfach mal die Charaktere „machen lassen“. Wirf sie in z.B. in eine Konfrontation, irgendeine ungewöhnliche Situation, und sieh dann zu, wie sie reagieren. Ich weiß nicht, was für ein Genre du schreibst, aber wäre es Science Fiction, würde ich z.B. den Protagonisten das Schiff des Antagonisten stürmen lassen, aber bevor er sich rächt, gerät es ins Trudeln und dann geht es erstmal ums Überleben. Oder einer von beiden ist so Psycho, dass er den anderen doch eher töten will, statt sich selbst zu retten.

Ist vielleicht ein blödes Beispiel, aber so etwas in der Richtung. Wenn du die Charaktere gut genug kennst, werden sie von selbst anfangen zu handeln und den Plot vorantreiben.

Versteh mich bitte nicht falsch, ich will dich jetzt nicht zum Entdeckungs-Schreiben bringen. Da ist schließlich jeder von uns anders. Manche bereiten Plots gerne bis ins kleinste Detail vor (George R. Martin), andere schreiben einfach runter und gucken was passiert (Stephen King, angeblich). Manche liegen irgendwo dazwischen (ich :slight_smile: ).

Aber ich denke einfach, wenn man hängt, ist es immer ganz gut die Charaktere mal in eine Extrem-Situation zu stecken, wo sie grundsätzliche Entscheidungen treffen müssen. Wenn es ein Krimi in der realen Welt ist, ersetze „abstürzendes Raumschiff“ mit „Die beiden bekämpfen sich in einem Auto“, oder etwas in der Richtung. Dann wird sich schnell zeigen, wie beide reagieren. Das Ergebnis wird sein, dass du die beiden danach etwas besser kennst und gleichzeitig hast du sie an einem neuen Ausgangspunkt, von dem aus es vielleicht einfacher fällt, den Bogen zu deinem gewünschten Ende zu spannen.

Das wäre meine Idee für einen Lückenfüller. Natürlich weiß ich nicht, ob das auf deine Geschichte passt, aber vielleicht hilfts ja :slight_smile:

Gruß,

Matthias

Aw: Charaktere und dann?

Es klingt einfach sehr danach, dass Du “Zwischenideen” brauchst. Der Anfang des Weges ist gemacht, das Ende auch.

Es besteht die große Gefahr, so scheinst Du das jedenfalls zu sehen, dass das Mittelstück “künstlich” wirkt, weil es so werden muss, weil es in Form gepresst wird, während der Rest “natürlich” entstanden ist.

Zwei Wege können helfen:

Hilfe zur Selbsthilfe - Spielerisch “verrückte” Szenarien bauen. Denke Dich in Deine Figuren, spiele durch, was Deine Figuren so tun könnten, und baue Dir Szenarien, die hineinpassen und Deine Charaktere dazu bringen könnten, sich in die Richtung zu bewegen, in die sie “müssen”.

Erfinde eine Reise durch eine Wüste, durch die Weiten Amerikas, auf der Route 66, und schaue, ob das hineinpassen könnte. Oder eine Schiffstour. Oder einen Unfall. Wenn es weiterhilft, feile daran.

Scheue Dich nicht, am Ende herumzuändern, wenn die Mitte dadurch weniger künstlich wird, damit Du Deine Leser nicht bis zum tollen Ende bereits verloren hast.

Anderer, zweiter Ansatz - lass’ Dir von anderen helfen:

Stell’ Dein Buch oder mindestens Deine Ideen anderen vor, einer Lesegruppe - das kann auch hier im Forum passieren, entweder öffentlich (mit der Gefahr, dass ein Verlag das als Vorveröffentlichung ansieht und das nicht will) oder in unserer geschlossenen Lesegruppe - vielleicht können wir Dich ja da mit Ideen “füttern”, die Dir weiterhelfen.

Wichtig ist, dass das “absolut keine Ahnung, wie es weitergehen soll” abgebaut wird - einfach “machen”, dabei werden die Ideen schon kommen! :slight_smile:

Aw: Charaktere und dann?

Versuch’ es mal mit der AIM-Methode, ist so eine Art zielgerichtetes Clustering:

www.amazon.de

Gruß

Linus

Aw: Charaktere und dann?

Hallo,

vielen Dank für die Rückmeldungen.

@ Falkenmond:

Als Entdeckungs-/Bauchschreiber habe ich nie etwas fertig gebracht/mich immer festgeschrieben. Seither plane ich. Allerdings auch mit der Vorgabe, den Plan meiner Schreibe anzupassen, wenn sich dabei etwas Besseres/Interessanteres ergibt. Deinen Vorschlag, einfach Szenen zu machen und die Charaktere hineinzuwerfen, hatte ich bereits gemacht. Kam aber damit nicht wirklich weiter, außer dass ich interessante Szenen/Flecken für den Roman bekam.

@ Ulli:

Genau, das Zwischendrin fehlt mir. Ich werde noch ein wenig Grübeln. Sollte ich dann nicht weiterkommen, werde ich deinen Vorschlag befolgen und mir Input im Forum holen.

@ Linus:

Die AIM-Methode kenne ich ebenso wie Clustering. Allerdings passte es bisher zwischen uns - als den Methoden und mir - nicht richtig. Aber ich werde es auf jeden Fall noch einmal ausprobieren, vllt. funkt es doch noch zwischen uns.

Liebe Grüße und nochmals vielen Dank für die Unterstützung.

Sheila

Aw: Charaktere und dann?

Bin in einer ähnlichen Phase.

(Intensität der) Planung ist wohl eine Sache des Stoffes und es Autors.

Du schreibst von wegen ‚festschreiben‘. Diese Gefahr sehe ich für mich auch. Momentan gehe ich so vor, dass ich mir Zeit nehme, die Figuren samt Geschichte in mir lebendig werden zu lassen. Und zwar ohne zu schreiben. Das braucht ein wenig Beherrschung, denn ich würde auch am liebsten gleich loslegen :smirk:

Doch auf diese Weise gehe ich mit den Figuren schwanger und vermeide eine Frühgeburt (= festschreiben?)

Vielleicht unterschätzt man den Prozess der inneren Entwicklung?

Und wer sagt, dass Kreativität nur mit dem Hirn stattfinden muss?

Vor ganz vielen Jahren erlebte ich einen genialen Programmiererkollegen. Wir hatten ein Projekt mit Deadline in 14 Tagen. Ich grübelte und schrieb (war damals noch Knochenarbeit) bis zum Umfallen und er? Der setzte sich hinaus in seinen neuen gelben Renault Alpine A5 und säuberte versonnen den dunkelblauen Autohimmel mit einem Tixoroller! Volle fünf Tage!! Ich bin fast wahnsinnig geworden! Zudem vernichtete er auch noch einiges an Bier, wodurch er danach zum Programmieren einfach keine Lust mehr hatte - na was denn sonst …

Nach den fünf Tagen meines Nervenverschleißes setzte er sich hin und schrieb das Programm wie einene Erzählung in vier (!) Stunden runter. Es lief praktisch fehlerfrei.

Wer weiß, vielleicht funktioniert das beim Schreiben auch. Ich probiers mal. Nur kauf ich mir dazu keinen A5 :wink:

LG

Martin

Aw: Charaktere und dann?

Hallo Martin,

das Festschreiben passiert mir, wenn ich ohne Planung schreibe, weshalb ich mir angewöhnt habe, alles zwar nicht punktgenau aber doch fortlaufend durchzuplanen.

Die Figuren sind schon lange herangereift, mein Prota sogar schon seit mind. 15 Jahre.

Nein, die Sache ist eben die, dass ich weiß, was sie wollen und wohin sie sollen, aber nicht, wie sie es erreichen. Stellt es euch als einen Krimi vor, wo Täter, Opfer, Ermittler feststehen, charakterlich ausgereift sind, Hintergründe/Beweggründe ausgearbeitet sind und feststeht, dass das Opfer tot und der Täter verhaftet wird. Ihr aber keinen Schimmer habt, welche Hinweise wo verstreut werden und wie der Ermittler drankommt, eben das Zwischendrin fehlt.

Aber noch grüble ich und hoffe auf die himmlische Eingebung durch Gehirnakrobatik.

LG

Sheila

Aw: Charaktere und dann?

Hast du schon einmal überlegt, rückwärts zu arbeiten? Das Problem scheint mir zu sein, dass du von A nach B willst. Aber was, wenn du A mal beiseite schiebst und vom Ende aus rückwärts plottest? Du has das Ergebnis (z.B. - wirklich nur ein Beispiel! - tötet Prota den Anta am Ende mit einem Dolch im Haus des Anta). Jetzt überlegst du, wie der Prota dorthin gekommen sein könnte (keine ZU großen Schritte - ganz kleine!. Z.B. mit dem Zug. Und damit es nicht ZU einfach ist, überlegst du dir, welches Problem ihm dabei im Weg stehen könnte. Dabei machst du dir zu jedem Problem eine kleine Liste im Brainstorming (muss überhaupt keinen Sinn ergeben - das kann von Alienüberfall bis geschlossenem Ticketschalter reichen). Erst, wenn du damit fertig bist, suchst du dir das raus, was dir am besten gefällt. Wichtig ist nur, dass du wirklich ALLES notierst, auch wenn es im ersten Moment abwegig erscheint. Manchmal enstehen dadurch nämlich bessere Ideen (z.B. wird aus dem Alien-Überfall eine Räuberbande).

Und so geht es fort. In ganz winzigen Schritten. Wenn du dann am Anfang angekommen bist, selektierst du, was von den Schritten relevant für die Erzählung sein könnte (z.B. könnte am Ende die Zugfahrt wirklich nur eine Ein-Satz-Erwähnung sein oder eben eine wichtige Kampfszene beinhalten).

Das ist alles ziemlich mühselig, aber letztendlich auch eine Methode, um Ideen zu entwickeln. Du müsstest dich halt nur vom Anfang lösen (und zwar auch im Kopf - du darfst nicht DORTHIN wollen), denn imho erscheint mir, dass du genau deshalb feststeckst. Wenn du mit allem fertig bist, kann es sogar sein, dass dein derzeitiger Anfang wieder passt oder nur weniger Anpassung bedarf. Aber solange du dir die zwei Punkte fest vorgibst, ist es schwerer und der Anfang ist meistens sehr viel variabler als das Ende.

Aw: Charaktere und dann?

Hallo Rabenvogel,

vielen Dank für den Tipp, das habe ich bisher noch nicht ausprobiert. Zwar schreibe ich immer das letzte Kapitel/die letzte Szene vor bzw. parallel zur ersten, aber mich Stück für Stück rückwärts krebsen ist für mich neu.

Ich werde mich auf jeden Fall melden, was mich letztendlich weiterbrachte.

LG

Sheila

Aw: Charaktere und dann?

Klingt nach einer Situation, in der ich viele lange, einsame Spaziergänge machen würde. Stephen King macht das auch so, und was für ihn gut ist, kann für unsereins nicht schlecht sein. Spaziergänge wirken bei den meisten Autoren Wunder.

Aw: Charaktere und dann?

DAS kann ich so nur unterschreiben. Wobei ich bei mir “Spaziergang” oft mit “eine Runde Motorrad fahren” ersetze. Kopf freibekommen und wie Rabenvogel schon sagte, vielleicht mal von Hinten aufrollen.

Aw: Charaktere und dann?

Hallo Sheila,

Hast du es mal mit einem Ortswechsel versucht?

Einfach Laptop schnappen und ab zur nächsten Bücherei oder Uni

Oder, wenn der Akku es zulässt, einfach wandern gehen, bis eine Idee kommt und unterwegs schreiben.

Rucksäcke, die auch für Laptops geeignet sind, gibt es schon ab 15 Euro.

Ich liebe meinen, auch wenn der Laptop nur 90 Minuten Akkulaufzeit hat, leider.

Ich hab Papyrus auf einer Großen CF Karte, die ich im Laptop mit einer PCMCIA-Karte nutze und zuhause mit einem Kartenleser.

Hat den Vorteil das am Laptop nichts absteht wie bei einem USB-Stick zum Beispiel.

Gruß Katja

Aw: Charaktere und dann?

Hallo zusammen, :smiley:

diesen Links gehe ich ja immer nach und so hat mich Linus’ Tipp inspiriert.

Wer nicht so superhaptisch ist und auch am PC gern arbeitet (wie ich :roll_eyes: ) dem sei ein Geschenk gemacht. Man muss ja nicht immer alles verkaufen.

Probiert mal damit rum, ich fand es zumindest inspirierend. Wenn da noch jemand einen Zufallsgenerator zwischen bauen will, das geht bestimmt!

Viel Spaß :slight_smile: !

MatrixGeschichten.xls (46 KB)

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Aw: Charaktere und dann?

Hallo Katja,

danke für den Tipp, aber ich gehöre zu der Sorte, die ihren festen Platz zum Schreiben benötigt. An anderen Plätzen geht gar nichts.

Hallo McVail,

danke für die Vorlage. Ich werde es mal ausprobieren.

LG

Sheila