Liebe Sandra, ich kann heute nicht den ganzen Text lesen. Hier kommen meine Gedanken und Überlegungen zum Anfang.
Morgaine´s Welt (Es gibt im Deutschen keinen Grund, einen Genitiv mit Apostroph abzutrennen. “Morgaines Welt” ist absolut korrekt.)
Morgaine spazierte gemütlich schlenderte (In dem Wort »spazieren« oder »schlendern« steckt »gemütlich« schon drin. Beides empfinde ich als doppelt gemoppelt.) über den(Akkusativ!) Markt. Sie hatte heute frei und trug daher zivile Kleidung Diese Info macht neugierig. Ich stelle mir automatisch die Frage, was das bedeutet. Was für Kleidung trägt sie, wenn sie im Dienst ist? Was für ein Dienst ist das?. Die Sonne strahlte vom türkisblauen Himmel und es hatte angenehme sechsundzwanzig (Zahlen ausschreiben) Grad. Morgaine trug ihre Lieblingskleidung, eine hautenge, kurze Hose, die ihre wohlgeformten und durchtrainierten Beine zur Geltung brachte, sowie ein bauchfreies Top, beides aus Baumwolle Ist das wichtig?. Ihre Augen waren mit einer tiefschwarzen Sonnenbrille geschützt. Heute wollte sie sich mit ihren Vater treffen Es ist gut und wichtig, dass Du hier ein Ziel ankündigst. Dadurch bekommt die Szene eine Struktur. Vielleicht könntest Du das Ziel aber auch zwischen den Zeilen andeuten. Dadurch könntest Du Neugier im Leser erzeugen. und einen ungezwungen Nachmittag mit ihm verbringen.
Ich muss hier mal eine Pause einlegen. Man erfährt hier etwas über Morgaines Tag, aber ich war anfangs noch etwas verwirrt. Das liegt zum Einen an Morgaines Namen. Der ist bekannt aus »Die Nebel von Avalon« von Marion Zimmer-Bradley. Ich hatte aufgrund des Namens etwas Historischen oder etwas aus dem Bereich Fantasy erwartet. Deshalb bin ich kurz über die zivile Kleidung und auch das bauchfreie Top gestolpert, denn das passt natürlich nicht in diese Genres. Es ist natürlich nicht verboten, einen Namen aus einem anderen Buch zu verwenden, aber man sollte sich, wenn es sich um einen internationalen Bestseller handelt, bewusst sein, was das beim Leser auslösen kann. Dann kann man gleich im ersten Satz entsprechend gegensteuern. Ich würde den ersten Satz so formulieren, dass gleich klar ist, dass der Text in der heutigen Zeit spielt. Und vielleicht auch, in welchem Land. Außerdem könntest Du vielleicht etwas finden, das den Leser gleich im ersten Satz neugierig macht …
Die Kleidung würde ich gleich am Anfang nur so ausführlich beschreiben, wenn sie Auswirkungen auf die spätere Handlung hätte. Wenn sie z.B. Highheels trüge und deswegen nicht richtig laufen und vor jemandem fliehen oder jemanden verfolgen könnte.
(Absatz. Hier endet die Einleitung der Szene und es beginnt die eigentliche Handlung.) Als sie glaubte, sie träumte. Vor ihr spielte sich eine für sie unfassbare Szene ab. Das würde ich nicht ankündigen. Zeig, was passiert, aber sprich nicht drüber. Du nimmst so alle Spannung weg. Ihr Vater wurde vor ihren Augen vom eigenen Sicherheitsdienst verhaftet (Ich bin nicht ganz sicher, aber ich glaube, verhaften darf nur die Polizei und kein Sicherheitsdienst. Allerdings weiß ich nicht mal, in welchem Land der Erde wir uns hier befinden und was dort für Regeln gelten.) und abgeführt. Dies ist ein typisches Beispiel für die Missachtung von »Show, don’t tell«. Sage nicht, dass ihr Vater abgeführt wird, sondern zeige dem Leser in einer Szene, wie das abläuft.
Was tut der Vater kurz vorher? Sieht Morgaine ihn schon, bevor sie ihn erreicht? Wer nimmt ihn fest? Wie läuft das ab? Versucht er, wegzulaufen? Wie viele Leute sind hinter ihm her? In Deinem Satz sieht das alles so leicht aus. Da fehlt der Konflikt. Und wie reagiert Morgaine darauf?
Von dem, dem sie beide angehörten und bei dem sie seit Jahren arbeiteten. Was für ein Sicherheitsdienst? Ist es der einer Firma? Warum lässt der Vater sich so bereitwillig abführen? Kämpft er nicht? Protestiert er wenigstens? Was sagt er? Wie reagieren seine Kollegen? Kennt Morgaine die Kollegen? Wer sind sie? Schockiert blieb Morgaine stehen und starrte nur fassungslos auf die Festnahme, als sie plötzlich von hinten angerempelt wurde. Sie wollte sich schon aufregen, als ihr etwas in die Hand gedrückt wurde. Von wem? Besser wäre es, den Satz ins Aktiv umzuschreiben.
Für mich klingt das alles etwas nüchtern. Ich kann mir die Szene noch nicht so richtig vorstellen.
Vorschlag:
»Papa! Warten Sie! Was tun Sie mit meinem Vater! Er hat nichts verbrochen! So warten Sie doch!« Morgaine fing an zu laufen, doch bevor sie ihre Kollegen vom Sicherheitsdienst einholen konnte, wurde sie so heftig angerempelt, dass sie beinahe gestürzt wäre. Ein Unbekannter in einem schwarzen Kapuzenpullover schob ihr, ohne sie anzublicken, einen Zettel in die Hand und verschwand in der Menschenmenge. Sie sah auf und bekam gerade noch mit, wie die Sicherheitsleute ihren Vater in einen schwarzen SUV schoben und kurz darauf davonfuhren.
Ratlos starrte sie erst hinter dem Wagen her, dann auf das Stück Papier in ihrer Hand. Sie entfaltete es. (Dass sie den Text liest, wird durch die nächste Zeile klar, das musst Du nicht extra erwähnen.)
Ich habe hier versucht, die Szene für den Leser etwas anschaulicher darzustellen. Ich merke in Deinem Text, dass Du viel Raum darauf verwendest, Details wie Kleidung zu beschreiben oder redundante Informationen zu geben, aber Du lässt den Leser nicht wirklich miterleben, wie die Szene abläuft.
Als Reaktion auf die Festnahme ihres Vaters hat Morgaine in Deiner Version kein Wort gesagt. Ist das realistisch? Würdest Du nicht hinter Deinem Vater herrufen, was das alles zu bedeuten hat, wenn er plötzlich festgenommen würde? Wenn Morgaine das nicht tut, muss es einen Grund haben, aber der erschließt sich mir hier noch nicht.
Um Morgaines Handlungsweise besser nachvollziehen zu können, hätte ich mir in der Einleitung ein paar mehr Informationen über sie und ihren Job gewünscht. Du könntest sie vor dem Gang über den Marktplatz in ihrem Job zeigen. Zeigen, was sie tut, wie sie mit ihren Kollegen redet. Wie sie sich umzieht (dann würde auch die Beschreibung der Kleidung passen) und dann zum Markt geht, wo sie sich nach der Arbeit mit ihrem Vater verabredet hat. Das würde erstens die Vorfreude länger ausdehnen und Dir zweitens die Gelegenheit geben, ein Stück ihres normalen Alltagslebens zu zeigen. Dann wüsste man auch mehr, was für ein Typ Morgaine ist und warum sie so handelt wie sie handelt.
Verwundert hob sie ihre Hand und sah, dass es ein Stück Papier war. Sie faltete es auseinander und las, was geschrieben stand.
VERSCHWINDET VON HIER, SONST BEKOMMT IHR RIESIGE SCHWIERIGKEITEN!