Die Fragen gehen mir nicht aus.
Wie ausführlich muss / darf/ kann man eine Szene, die im Lauf dieser Szene zu einer Schlüsselszene wird, beschreiben?
So ausführlich, dass der Leser meint, dabei gewesen zu sein?
Weniger ausführlich, so dass sich ein Leser noch eine ganze Menge zusammenreinem muss?
Ich muss bei solchen Dingen aufpassen, ich weiß dass ich hin und wieder zum Faseln neige, deshalb will ich so eine Szenenbeschreibung nicht ins Endlose laufen lassen.
Fieserweise schließt sich das ja nicht gegenseitig aus. Wenn man dann irgendwann für sich selbst entdeckt hat, wie man es macht, hat man seinen Stil (vorläufig) gefunden.
Das hilft jetzt kaum, aber besser kann ich es leider nicht beantworten.
Das hängt von deinem Stil ab. Gute Erfahrungen habe ich damit gemacht, nahe an der Figur zu sein, sodass du die Dinge durch ihre Augen erlebst und Sachen, die sie nicht weiß /erkennt, nur andeutest.
Auf die Dinge, auf die der Fokus liegt, setzt du mehr Details, andere Sachen beschreibst du so, dass es zum Vorstellen der Szene reicht.
Beispielsweise betritt dein Protagonist eine Spelunke. In der Ecke sitzt eine Frau im rotem Kleid und redet mit einer verhüllten Gestalt.
Hier beschreibst du den Eindruck der Spelunke und spielst verschiedene Sinne an. Wie es riecht, Licht etc. Der Fokus liegt auf die Frau und dem Verhüllten, diese werden ausführlich beschrieben. Auch was diese Situation im Protagonisten auslöst, innerer monolog etc.
Die 30 anderen Gäste, Inneneinrichtung, barkeeper. Alles was auch da, aber unwichtig ist, nur skizzenhaft beschreiben - um den Fokus nicht zu stören.
@Stolpervogel - doch, das hilft. Dann hab ich meinen Stil nämlich schon gefunden.
@Tapio - ich schreibe sozusagen als stiller Beobachter, der über den Ereignissen schwebt und dem Leser vermitteln will, was in jedem Moment passiert. Mein Problem ist noch, dass dieser stille Beobachter nicht wissen kann, was die Protas denken.
Um deren Gedanken zu vermitteln, käme der innere Monolog zum Tragen?
Oder wäre das der auktoriale Erzähler?
Klassisch gesehen gibt es 4 Perspektiven zum Erzählen: die ich perspektive und die in 3ter Person geschriebenen Personaler Erzähler (den benutze ich, der weiß nur das, was der protagonist weiß, auch seine Gedanken). Der neutrale Erzähler (ich glaube den nutzt du, er weiß alles, was geschieht und man beobachten kann, gibt aber keine Erklärung dazu) und den auktorialen Erzähler, der alles weiß - auch die inneren Gedanken.
Natürlich kann man damit spielen. Ich nutze z.b den personalen Erzähler, wechsele aber (selten) den Protagonisten, um beispielsweise die Motivation des Bösewichtes zu erklären.
Beim neutralen Erzähler, musst du halt andeuten, was beobachtbar ist. Also, ob jemand die Fäuste ballt, um unterdrückten Zorn darzustellen. Oder die Stimmung im Dialog reflektieren.
Wichtiger scheint mir, dass der Leser die Szene und ihre Bedeutung versteht - sonst steht er am Ende ohne Schlüssel da und kriegt die Tür nicht auf.
Wie ausführlich Du sie schreiben sollst, kann ich nicht sagen. Ich glaube nicht, dass es dafür eine allgemeingültige Antwort gibt. Hängt davon ab, wie Du Deinen Test insgesamt angelegt hast, wie viele Fäden in dieser Szene zusammenlaufen, wie viele von Dir bis dahin aufgeworfene Fragen beantwortet werden und wo im Text sie platziert ist (Wendepunkt, Finale, etc.).
In meinem Erstling habe ich eine - vielleicht seltsame - Mischung der Perspektiven benutzt.
Zum einen den neutralen Erzähler, der immer dann zum Einsatz kam, wenn ein Kapitel oder eine längere Szene nicht eindeutig einem bestimmten Portagonisten zuzuordnen war. Zum anderen habe ich mehrere Perspektiven benutzt, immer aus Sicht des gerade Betroffenen, will sagen der Hauptfigur dieser Szene die diese am eindrücklichsten erlebt. Aus dessen Sicht habe ich dann auch nur das geschrieben, was wissen kann, eigene Beobachtungen, mitgehörte Gespräche usw.
Im aktuellen Projekt benutze ich nur den auktorialen Erzähler der die ganze Story berichtet.
@Tapio
In allen meinen Projekten gab es bisher immer mehrere Protagonisten, von denen jeder die gleiche Wertigkeit für die Story hat. Da bleibt ja nur der auktoriale Erzähler. Oder ich würde auf die Ich-Perspektive des jeweiligen Protas zurückgreifen
Das kannst Du auch aus der personalen Perspektive erzählen. Bekanntes Beispiel: „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R. R. Martin. Die Charaktere, aus deren Sicht personal erzählt wird, wechseln von Szene zu Szene, in der jeweiligen Szene bleibt er konsequent beim jeweils ausgewählten Charakter.
Wechselnde Ich-Perspektiven würde ich vermeiden. Das kann beim Lesen sehr verwirrend sein. Du kannst aber in einer Szene, die aus Sicht von X erzählt wird, durchaus auch Gefühle, Ideen etc. anderer Protagonisten einbauen. Neben Rede und Gestik sind auch Nachrichten eine Möglichkeit. X liebt Y, Y ritzt ein Herz mit den Initialien der beiden in einen Baum, sprüht es an die Wand, zeichnet es auf einen Bierdeckel, simst es … aber nicht alles auf einmal, das könnte den armen X überfordern
Die Ich-Perspektive wäre da meiner Meinung nach die ungünstigste, weil der Leser ohne Namensnennung immer wieder überlegen muss, wer jetzt gerade „Ich“ ist.
In meinem Buchprojekt habe ich mich für den personalen Erzähler in der dritten Person entschieden und wechsle den Point of View zwischen meinen beiden Hauptfiguren.
Im ersten Kapitel habe ich jedesmal einen Absatz und eine Leerzeile eingefügt, wenn ich von seiner auf ihre Sicht gewechselt habe (und das mit „Anton dachte…“ und „Berta überlegte…“ eingeleitet). In späteren Kapiteln, wenn sich der Leser daran gewöhnt hat, abwechselnd in beiden Köpfen zu sein und die Welt aus beiden Perspektiven zu sehen, schreibe ich einfach in die Dialoge die Gedanken von beiden Figuren hinein.
Ich schreibe aber nie etwas auf, das keine von beiden Figuren weiß, also bin ich - so wie ich das verstehe - kein auktorialer Erzähler. Auch deshalb, weil es in meinem Buch nie ein „übergeordnetes“ Urteil eines Erzählers gibt, sondern die gegensätzlichen Ansichten meiner Figuren einfach gleichwertig nebeneinander stehen. (Anton sah einen hässlichen Hund, Berta sah einen süßen Hund → dasselbe Tier.)
Im ersten Projekt habe ich das ähnlich gemacht - mit dem Unterschied, dass ich den jeweiligen Absatz mit dem Namen des jeweiligen Ich-Erzählers überschrieben habe - so kommt nie Ungewissheit auf, wer jetzt gerade erzählt.
Richtig oder falsch? Gut oder schlecht?
Weiß ich nicht - habe von meinen Testlesern diesbezüglich keine negativen Rückmeldungen bekommen
Habe ich schon mal in einem Buch so gelesen, mochte ich persönlich aber nicht so gerne, weil ich die Überschrift meistens überlesen oder kurz darauf vergessen hatte. Ich möchte im Text, in der Geschichte, drin sein und nicht dauernd überlegen, wer jetzt gerade dran ist. Und wenn ich schnell lese, vergesse ich schon mal, war das jetzt zuletzt das Kapitel von X oder von Y?
Ist man in diesem Fall. Es sind meist längere Szenen, die aus Sicht des jeweiligen Protas erzählt werden. Aber nicht dieselben Ereignisse aus unterschiedlicher Sicht, die Szene wird permanent fortgeschrieben, nur wechselt der Erzähler, wenn es die Geschichte erfordert. A kann schließlich nicht wissen, wie B das Kommende sieht und/oder erlebt.
Ich denke, das hängt mit deiner Absicht zusammen, die hinter der Szene steckt. Was die reine Umgebungsbeschreibung angeht, musst du genug Informationen liefern, die bspw. einen Wald zu deinem Wald machen.
Wenn es schlicht notwendige Szenen sind, die nur aus Gründen der Logik notwendig sind (Handlung beginnt in München, soll in Berlin enden → irgendwo muss die Reise erwähnt werden), reicht es, diese grob zu beschreiben. Wenn sie benutzt wird, um die Charakterisierung zu vertiefen, reicht es ggf. nur Teilaspekte genauer zu beschreiben, z. B. die Hitze im Wagen, die genervte Ehefrau, quengelnde Kinder auf dem Rücksitz, „Best-of-Bibi-Blocksberg“ in Dauerschleife und wie dein Prota reagiert. Versucht er, die Stimmung zu heben? Bekommt er einen Wutanfall? Kann er seine Umgebung schlicht ausblenden?
Ist es eine für den Handlungsablauf wichtige Szene oder willst du den Leser auch nur verwirren oder auf eine falsche Fährte locken? Dann Details. Bei einem Krimi darf Inspektor Superschlau schon mal jemanden beobachten, der sich verdächtig benimmt und das in allen Einzelheiten beschrieben wird, obwohl es sich am Ende herausstellt, dass es völlig harmlose Gründe hat.
Deine Schreibe darf für den Leser auch kein Muster erkennen lassen im Sinne von: „Ach hier wird wieder nur so hopplahopp beschrieben, also ist es für den Fall unwichtig“ und „Aha, hier wieder Details, hier muss irgendein Hinweis enthalten sein für den Tathergang.“
Wie ausgeprägt du etwas erzählst, ist natürlich die Preisfrage. Gehörst du von Haus aus eher zum Typ „wortkarger Norddeutscher“, der einen Tornado der Stärke 4 als „Schietwetter“ zusammenfasst oder eher zum Typ „Oma Lotti“ („Stell dir vor, da war mir doch tatsächlich die Butter ausgegangen. Ich bin dann rüber zum Geschäft von Stehrmanns - der alte Stehrmann sieht gar nicht gut aus in letzter Zeit - und da hab ich Frau Bürstedt getroffen, kennste die noch? Die Tochter war doch mit dir auf der Schule, die haben das Haus damals von Pohlmeyers gekauft, das kleine mit dem weißen Zaun und dem roten Gartentürchen … die den großen schwarzen Hund hatten, weißt du nicht mehr? Na egal, jedenfalls …“)?
Entsprechend kritisch solltest du überarbeiten. Oder besser noch, organisiere dir einen Norddeutschen und eine Oma Lotti als Testleser. Wenn beide deinen Text für akzeptabel halten, hast du in der Ausführlichkeit anscheinend das rechte Maß gefunden.
@anon37238882 - toll geschrieben. Hilft mir ungemein. Zwei Testleser habe ich, die diese Kriterien erfüllen. Nicht ganz Norddeutsch aber nicht weit weg und aus dem tiefen Süden.
Ich denke, dafür kann es keine allgemeingültige Antwort geben. Neben Deinem eigenen Stil, entscheiden da ja auch die Fragen nach dem Typ, der Zielgruppe ( wenn man den eine solche vorher definieren wollte ), etc.