Hallo zusammen,
die von @Buchling aufgebrachte Frage, Rückblend-Techniken samt Ob und Wie betreffend, hat mich ein bißchen umgetrieben, so daß ich mich entschlossen habe, dafür ein Beispiel aus meiner eigenen Produktion einzustellen.
Das Kapitel ist gekürzt, v.a. „hintenraus“, weil es ja zuvörderst um die Ansetzung der Rückblende im Hauptstrang geht und dann wiederum um die „Zurückführung“. Ich habe den Anfang des Kapitels stehenlassen, damit die „Inhaltsdusche“ nicht zu kalt wird, dann aber einen Cut vorgenommen, um die Länge in Grenzen zu halten. Dieser Schnitt ist fürs Verständnis des Textes überhaupt nicht wichtig und scheint mir deshalb vertretbar.
Ich habe diesen Text gewählt, weil er zwei Rückblenden enthält (fast direkt nacheinander) und dadurch eine „verschärfte“ Variante des Normalfalls bringt, wodurch man m.E. besser beurteilen kann, ob die RB’s ihren Zweck erfüllen, ohne daß das Hauptthema „leidet“.
Die erste RB rekurriert – erinnernd – auf der Ich-Erzählerin eigenes Erleben, die zweite geht weiter zurück und bringt eine kollektive Erinnerung ins Geschehen ein, deren enger Bezug zum Textgegenstand aber (hoffentlich) trotzdem evident ist.
Das Kapitel behandelt ein „Trennungsproblem“ zweier liebender Menschen, die sich miteinander verstritten haben, worauf der eine den anderen erzürnt verlassen hat, nachdem sie vorher einige Zeit zusammenwaren, allerdings nicht ständig (sondern in Form einer Fernbeziehung mit freilich häufigen persönlichen Kontakten).
Erzählt wird sie aus Sicht der verlassenen Person, die sehr darunter leidet und glaubt, die Trennung verschuldet zu haben – durch eine schriftliche Äußerung, von der sich die andere so beleidigt sah, daß sie die Beziehung beendete.
Beide Personen sind äußerst – geradezu exorbitant – schriftaffin, allerdings aus sehr unterschiedlichen Beweggründen. Das erwähne ich, weil der Text sich an zwei Sachverhalten entlangschlängelt: Einmal an der Bedeutung von Gesprochenem/Geschriebenen im Gegensatz zum Schweigen (ohne daß das Letztere nicht trotzdem beredt sein könnte): und andermal am Sehen und Gesehenwerden versus Verborgenem, eingebettet insbesondere auch ins Phänomen der Spiegelung und seiner Ab- bzw. auch Trugbilder.
Im herausgeschnittenen Teil wird das auch von wissenschaftsgeschichtlicher und kulturtheoretischer Seite her beleuchtet (aber niemand muß es lesen; und es bedarf des Wissens darum auch nicht fürs Verständnis des Textes [deshalb der Cut]; wer sich allerdings dafür interessiert, findet in einer Fußnote die Bibliographie der Textbasis und einen Netzlink dazu, wo der Text auch frei gelesen werden kann). Ich verweise extra darauf, weil der Autor der von mir dafür benutzten Arbeit ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet ist (es handelt sich um den Kulturtheoretiker Thomas Macho, der übrigens letztes Jahr mit einer vielbeachteten und sehr, sehr lesenswerten Monographie zum Thema Suizid hervorgetreten ist). Wer will, kann – wie oben angedeutet, – in seinen Narziß-und-Spiegel-Aufsatz mal reinschauen: Es ist auch deshalb interessant, weil Macho aufzeigt, daß sich mit Keplers Entdeckungen unsere Blickrichtung geändert hat. Vorher wurde der menschliche Blick als aktiv verstanden, erst danach begann der Mensch, sich als passiv wahrnehmendes Wesen zu verstehen.
Das hat eine gewisse Relevanz für den Sehen-Verbergen-Aspekt wie oben angedeutet, denn es ist so, daß die verlassene Person in der Geschichte der anderen gewissermaßen „nachspioniert“, indem sie dauernd deren Bildrepräsentation auf einer medialen Netzplattform nachgeht. Was im Text „das Medium“ heißt, ist diese Plattform.
Strukturüberblick:
- Etwas mehr als sechs Seiten führen in die Materie ein
- Danach wird die erste RB in Szene gesetzt.
- Seite Elf markiert einen Übergang zur zweiten.
- Seiten Zwölf bis etwa 16/17 inszenieren sie (es ist die ältere).
- S. 17/18 führen zurück auf die aktuelle Handlung.
- Danach lasse ich’s langsam auslaufen und breche dann ab, weil die Funktion dieser Textprobe erfüllt ist.
Natürlich würde ich mich über eine Diskussion freuen; und zwar v.a. wegen unserer verehrten @Buchling , die ja diesen ganzen Fragenkomplex zur RB aufgebracht hat.
Wenn ihr mein Konstrukt zerreißt, wird sie schon mal wissen, was nicht geht; und ansonsten kann sie ja gucken, ob sie in der Weise wie ich vorgehen möchte (also ich meine methodisch, etwa unter Zuhilfenahme „sanfter Übergänge“ [außer dem ersten, der ist bewußt „hart“ gestaltet] einerseits und impliziter Aufrufung des Hauptstrangthemas in der RB andererseits), oder doch ganz andere Wege findet, ihre RB umzusetzen.
Natürlich habe ich auch nichts dagegen, wenn sich jemand zum literarischen Wert dieser Skizze äußern oder Kritik üben möchte.
Viele Grüße von Palinurus
Textprobe_Rückblendenkonstruktion.pap (57.2 KB)