Ausländischen Charakter schreiben

Hallo zusammen,

Einer der Hauptcharaktere in meiner Geschichte ist gebürtige Russin, die im Kindesalter nach Deutschland gezogen ist. Sie hat eine Abneigung gegen die deutsche Sprache und wechselt daher in manchen Situationen in ihre Muttersprache.
Wie würdet ihr das im Roman handhaben? Die Protagonistin beherrscht kein Russisch, wodurch keine natürliche Übersetzung innerhalb des Romans zustande kommen könnte. Reicht eine einfache Übersetzung via Sternchen? Und würdet ihr die Worte mit original russischen Buchstaben schreiben, oder die eingedeutsche Variante, sodass man zumindest den Laut erahnen kann?
An alle die auch Charaktere mit Migrationshintergrund schreiben - irgendwelche anderen Tipps, wie man den Charakter authentischer schreiben kann? Ich versuche hin und wieder Grammatikfehler einzubauen, allerdings weiß ich nicht wie glaubwürdig das rüberkommt.

Freue mich auf euren Input.

Hallo, @Lark ,
Kyrillische Buchstaben können meist nur die etwas Älteren aus dem Osten Deutschlands lesen, denn Russisch war ja Hauptfach in der POS. Daraus folgt, dass Dialoge auf jeden Fall mit lateinischen Buchstaben geschrieben werden sollten. Andererseits würde ich die russischen Wörter und Worte sehr knapp halten. Da trifft eigentlich genau das zu, wie man deutsche Dialekte in Geschichten und Romanen einsetzen sollte. Übertreibt man da, wird es für den Leser sehr schnell langweilig!
Da Deine Protagonistin die deutsche Sprache nicht mag, wird sie vermutlich in russischen Begriffen denken. Es wäre vielleicht sinnvoll, sie aus diesem Grund „radebrechen“ zu lassen, das heißt gerade im Russischen die Artikel wegzulassen und die russische Grammatik, nach der, anders als in Deutsch, zu imitieren, in der also nicht so sehr die Reihenfolge der Begriffe eine Rolle spielt, sondern dass der Begriff/Wortgruppe überhaupt da ist.
Noch einmal zum Denken: Mein Onkel war deutscher Soldat im 2. Weltkrieg und in Frankreich eingesetzt. Nach dem verheerenden Krieg hat er in Frankreich geheiratet. Ende der 70er Jahre ist er noch einmal nach Deutschland gekommen. Ich kenne ihn nur mit einem französischen Akzent und er äußerter sich mir gegenüber, dass er inzwischen auch „französisch“, also so in französischer Sprache denkt …

Hi Lark, wenn Du die Erzählperspektive aus der Sicht der Protagonistin gewählt hast, ist es nicht sinnvoll, Worte oder Buchstaben auf Russisch einzusetzen, da die Protagonistin mit dem Gesagten nicht viel anfangen kann. Höchstens vielleicht so: *Katharina zog die Stirn in Falten und murmelte etwas auf Russisch. Es klang wie ein Fluchen." Kann diese Weise helfen?

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Ich würde es so machen wie es JoJosson vorgeschlagen hat.
Treffe ich beim lesen auf einen Charakter der mehr als einige seltene Worte mit Dialekt, Akzent oder einer anderen Sprache in der Wörtlichen Rede hat überspringe ich die entsprechenden Dialoge.

Kannst du denn russisch? Das wäre ja die Voraussetzung um damit zu spielen.
Ich denke auch wie meine Vorredner, dass sich das im Dialog nicht gut umsetzen lässt. Vielleicht ein zwei Vokabeln, die sich im weiteren Verlauf erklären lassen. Ansonsten würde ich mit Beschreibungen arbeiten, Klischees, Besonderheiten. Wo kommt die Person genau her. Was gibt es von dort, was hier anders ist? Eine härtere Aussprache beschreiben, weniger den Inhalt des Gesagten. Und, wie Berti schon schrieb, im Russischen gibt es keine Artikel.

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Hmm sicher wäre das eine Möglichkeit, aber ich möchte schon, dass Leser wissen, was der Charakter sagt. Sonst viele puns also Situationswitze verloren gehen. Ich möchte diese aber eben auch nicht in Deutsch haben, da das einen essenziellen Bestandteil vom Charakter nehmen würde.

danke, das hilft mir weiter! ich find’s schwierig da einen spagat zu finden. einerseits soll der charakter möglichst dynamisch wirken, andererseits hat sie eine antagonistische rolle in der geschichte und daher viele dialoge, die ein relativ hohes sprachverständnis erfordern und sich darum keine fehler erlauben können, da diese sonst eher komisch als eindringlich wirken würden.

Da du davon ausgehen musst, das nur sehr wenige deiner Leser Russisch lesen können, gehen die Situationswitze eh verloren. Da sie keiner lesen können wird.

Daher war ja die Frage nach der Übersetzung. Es ist nicht so, als würden die Witze in Deutsch nicht funktionieren (ich selbst kann ja auch nur die Basics, ansonsten arbeite ich mit dem Internet). Keine wichtigen Gespräche würden auf diese Weise verloren gehen, es dient eher als Stilmittel für den Ton der Geschichte.

Wäre das denn nicht mal eine sinnvolle Aufgabe, eine KI hinzuzuziehen? Ich denke an die typischen Merkmale / Fehler, wie ein fremdsprachiger Mensch sich ausdrückt. Für einen Polen würde ich möglicherweise anstelle von Das passt mir nicht schreiben Is sich schlecht. Das sollte eine KI doch hinbekommen.
Oder vielleicht ähnlich der Art wie Günther Grass es mit den Kaschuben gemacht hat.

Hhm, ich verstehe, glaube ich, nicht ganz was du meinst.

Eine meiner Angestellten ist erst als Erwachsene aus Sibirien nach Deutschland gekommen. Spricht besser, als ich jemals russisch lernen könnte. Dennoch fallen manchmal einige Dinge auf.
-Russische Redewendungen werden gelegentlich ins Deutsche übernommen, die dann keiner wirklich sofort versteht.
-sie fällt (gerade unter Stress) in Stereotypen, die sie versatzartig dann „einwirft“. Man kann manchmal den Gesprächsverlauf daher fast schon voraussagen. Beispiele kann ich auf Wunsch bringen… Muss ich heute mal „sammeln“.
-Situationen, die sie sprachlich überfordern, frustrieren sie

Fantastische Person, die sich nach Ankunft in Deutschland als erstes ein Wörterbuch gekauft hat.

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Die Frage wurde schon gestellt: Kannst du Russisch? Das wäre natürlich einfacher.

Ich würde die Prota einen kurzen Satz auf Russisch sagen lassen, in lateinischen Buchstaben. Dann spricht sie Deutsch weiter mit russisch gefärbter Grammatik. Evtl. „übersetzt“ sie ihren Satz selber. Ich kann kein Russisch, ich versuch’s mal als Beispiel in Italienisch:
„Mannaggia, questo caffè non sa di niente! Nichts, nach nichts schmeckt diese caffè!“

Was vielleicht hilft: Vera F. Birkenbihl hat für das Sprachenlernen unter anderem die 1:1 Übersetzung empfohlen. Das bedeutet, dass du einen Satz in der Originalsprache schreibst und darunter Wort für Wort die Übersetzung. Die wortwörtliche Übersetzung, nicht die angepasste. So erhältst du die Denkweise der anderen Sprache.

Ein einfaches Beispiel mit Englisch:
It’s a beautiful day.
Es ist ein schön Tag.

Nun kannst du „englisches Deutsch“ schreiben.

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Die Problematik hatten wir schon im Thread über Dialekt im Roman. Ist schwierig. Bei Thomas Mann, Buddenbrooks, sah ich beim querlesen, dass er einen Großvater im Dialog einen Satz in Platt sprechen ließ, dies auch so antitelte (Opa spricht breites Platt), in Folge aber hochdeutsch „reden“ ließ. Also gewissermaßen die Simultanübersetzung für jene, die kein Platt verstehen. Eigentlich genial.
Es spricht nichts dagegen, eine Person damit einzuführen, das sie fortwährend italienisch spricht, sie aber direkt ins deutsche übersetzt wird. Etwas mühsam finde ich die konsequente Übernahme von Akzent ins Deutsche. So geschehen in Boston von Upton Sinclair. Das behindert den Lesefluss und fügt dem literarischen Werk keinen Mehrwert bei.

Im Film gibt es da wesentlich elegantere Möglichkeiten. Etwa in Jagd auf Roter Oktober. Da wird zunächst im russischen U-Boot russisch mit Untertiteln geradebrecht, bis zu einem Moment, wo die Kamera auf das Ohr des Kommandanten fährt und die Sprache ins deutsche (oder original englische, je nach Fassung) ändert, woraufhin die Kamera sich vom Ohr entfernt. Somit wurde das ungewünschte Untertitellesen umgangen.

Oder in dem Film Der 13te Krieger. Antonio Banderas spielt einen arabischen Prinzen, den es zu den Wikingern verschlägt. Null Sprachverständnis. Im Laufe schnell erzählter längerer Zeitabschnitte (Screentime unter 1 Minute) lernt Banderas die Sprache der Wikinger durch Zuhören und Assoziation. In die Wikingersprache gelangen immer mehr Worte in seiner Heimatsprache, bis er die Fremdsprache schließlich versteht.

Es gibt einen Science-Fiction - Roman, der die Verständigungsschwierigkeit zwischen Aliens und Menschen mit einem eleganten Trick umgeht. Narrenopfer von Ian McDonald. Die Aliens lernen Sprachen auf genetische Art. Über den Speichel. Man spuckt ihnen in die Hand, sie saugen das dann auf und nach kurzer Zeit sprechen sie die fremde Sprache fließend.
Einfacher geht’s mit dem Universalübersetzer aus Star Trek.

In philosophischen Werken begegnet man hin und wieder, dass besonders griechische oder lateinische Zitate nicht ins deutsche übersetzt werden. Das zeugt von Dekadenz, Ignoranz, Arroganz. Das erinnert geschichtlich an die Tradition im Mittelalter liturgische Texte grundsätzlich in Latein von der Kanzel zu salbadern. Bis Luther kam.
Für wissenschaftliche Texte wurde Stephen Hawking (Eine kurze Geschichte der Zeit) empfohlen möglichst keine Formeln im Text zu verwenden, ansonsten würde sich dieses Buch nicht verkaufen.
„Man hat mir gesagt, dass jede Gleichung in dem Buch die Verkaufszahlen halbiert“, schreibt er in „Eine kurze Geschichte der Zeit“. Er habe trotzdem eine Gleichung im Text untergebracht und hoffe, damit nicht die halbe Leserschaft zu vergraulen. (Quelle: SPON vom 26.06.2012)

Sorry für den langen Text…

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Ich mache es so, dass ich in der Fremdsprache nur dann schreibe, wenn der Protagonist sie nicht versteht. Ganz einfach, wenn er nicht weiß, was da steht, muss der Leser es auch nicht verstehen. Das mache ich aber nur mit kurzen Abschnitten.
Spricht der Protagonist die Fremdsprache, »synchronisiere« ich und schreibe Deutsch, sage dann aber, dass die Gespräche in einer anderen Sprache stattfinden. Ich hatte mal den Fall, dass sich zwei Chinesen und ein Deutscher längere Zeit unterhielten. Ein Chinese sprach Deutsch und Mandarin, der andere Chinese Englisch und Mandarin und der Deutsche Englisch und Deutsch. Das war ein Kuddelmuddel! O weh. Ich habe dem Leser die Situation genau einmal(!) erklärt. Danach habe ich dann konsequent alles auf Deutsch verfasst. Dass der eine Chinese immer für den anderen übersetzen muss oder auch der Deutsche, habe ich einfach nur dieses eine Mal erwähnt. Für den Leser sprechen danach alle einfach Deutsch. Der Leser ist nicht dumm, er kann sich denken, dass die beiden Deutsch reden, die anderen beiden Englich und zwei Chinesisch. Dass es jeweils ein anderer übersetzen muss, ist logisch und wird kaum je wieder erwähnt.

Keinen Leser hat es groß gejuckt.

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Dankeschön für deine Antwort. Konkrete Beispiele sind immer hilfreich, also gerne her damit!

Das ist 'n guter Tipp, werd ich auf jeden Fall versuchen, so umzusetzen. Danke für deine Antwort! Und nein, ich kann leider kein Russisch, würde mich in dem Fall auf das Internet beziehen.

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Ja, so würde ich das in dem Fall auch machen. Mein Charakter rutscht hin und wieder in ihre Muttersprache, wenn Situationen sie aufregen oder setzt es als bewusste Waffe ein, damit andere sie nicht verstehen können (und sich darüber aufregen). Es dient also eher dazu, eine Distanz zwischen ihr und der Protagonistin (und dementsprechend dem Leser, zu schaffen). Aber auch, um auf ihren Hintergrund aufmerksam zu machen. Ich weiß nicht, inwiefern eine künstlich erzeugte Übersetzung da hilfreich ist oder nicht.

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