Aus der Perspektive einer Burg

Zeiten ändern dich. Oder nicht?

Mein Dasein begann vor langer Zeit. Im Feldatal wurde ich geboren. Aus Stein und Mörtel formte man mich. Die Abtei Hersfeld gab meinen Bau in Auftrag. Geschaffen um Zuflucht zu bieten und zu beschützen. Meinen Namen verdanke ich Adeligen.

Ich, bin eine Burg!

Viele, viele Jahre stand ich fest und unerschütterlich im schönen Feldatal und erfüllte voller stolz meine Bestimmung als Beschützer der umliegenden Lande.

Eines Tages überließ mich mein Lehnsmann dem Konvent zu Fulda und ich hatte plötzlich, nach all der langen Zeit, einen anderen Herrn.
Dieser beschloss auch meine Befestigungen zu erweitern. Aus einer anfangs kleinen Veste, wurde ich eine immer beeindruckendere Burg. Ich bekam vier neue Bezirke, um die sich jeweils eine Familie kümmerte. Nach und nach zogen weitere Familien ein, die sich aber untereinander um mich stritten und nie eine Einigung fanden. Auch wurde eine Mauer und ein Wassergraben angelegt und es strömten viele Ritter herbei. Alles was ich brauchte, damit ich meine Aufgabe als Hort der Sicherheit noch besser wahrnehmen konnte.

Ich, bin eine Ganerbenburg!

Die Jahreszeiten verstrichen. Ich beobachtete wie die Familien innerhalb meiner Mauern, die ich schützend um sie legte, ihr Leben lebten. Einige genossen es, manche litten unter Beschwerden und Krankheiten, andere starben an Altersschwäche oder durch andere Umstände und wieder andere verließen mich.

Immer wieder zogen Unruhen und Kriege über das Land hinweg und ich tat alles in meiner Macht stehende um weiterhin eine aufragende Zuflucht zu sein und Eindringlinge abzuwehren. Bis zu dem Tage als ein Krieg losbrach, der als „30 jähriger Krieg“ in die Geschichte eingehen sollte. Meine erste große Niederlage! Man plünderte und brandschatzte mich. Ein Teil von mir brannte völlig nieder, darunter Wohnstätten meiner Lehnsfamilien. Schlussendlich übernahm mich das Adelsgeschlecht der Boineburger, die mit der Zeit, Teile von mir umbaute. Meine Befestigungen wurden weniger, der Wassergraben zugeschüttet und ein schönes Parkgelände angelegt.

Ich, bin ein Wohnschloss!

Schöne Zeiten währen aber nicht ewig, denn kein Jahrhundert verging, als eine Feuersbrunst fast die ganze Stadt zu Staub und Asche werden ließ und auch ich wäre diesem Schicksal beinahe anheim gefallen.
Darauf folgten die zwei größten Kriege die die Menschheit je ausfocht. Im Anschluss daran wurde ich den Händen meiner Großgrundbesitzer entrissen und dem Staat übergeben, der meine Funktion änderte.

Ich, bin ein Sanatorium!

Zu mir kommen all die kranken und gequälten Seelen die es nach Hilfe und einem warmen Bett für die Nacht verlangt.

In 899 Jahren, seit ich auf dieser Erde existiere, hat sich meine Bestimmung, ein Bollwerk der Sicherheit und eine Zuflucht für die Menschen zu sein, nie geändert. Ich lege immer noch meine Mauern schützend um die mir Anvertrauten und schirme sie vor den Gefahren der Welt ab um ihnen Heilung zu verschaffen und ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit zu geben. Nur die Methoden sind heute nicht mehr die gleichen wie damals. Gab es einst Ritter, Bogenschützen und Speerkämpfer die meine Bewohner verteidigten, so sind es heute Ärzte, Krankenpfleger und Therapeuten. Wo einst noch Waffen zum Einsatz kamen, gebraucht man nun das „Schwert“ der Worte und des Rats, den „Speer“ der Erholung und Entspannung und den „Schild“ des Mitgefühls und des Verständnisses.

Nächstes Jahr, im Jahre 2025, wenn ich mein 900stes Bestehen feiere und meine Dienste weiterhin benötigt werden, kann ich sagen;

Ich, beschütze die Menschen!

Ich, bin eine Burgklinik!

Hallo zusammen,
momentan besuche ich eine Rehaklinik und hatte die Idee eine Kurzgeschichte über diese zu schreiben. Da mir das Schreiben, aus der jeweiligen Perspektive, letztes Jahr, sehr gefallen hat, ist auch diese Geschichte aus der Perspektive der Burg geschrieben. Zudem habe ich versucht, die Historie der Burg aufzugreifen und einigermaßen genau niederzuschreiben. Allerdings sind die Informationen die ich finden konnte, sehr dünn und ich gebe keine Garantie, dass ich in allen Punkten hundertprozentig richtig liege. Dieses Werk dient der Unterhaltung und ist daher nicht als historischies Lehrmittel gedacht. Kritik ist erwünscht. Bin gespannt auf eure Meinung.

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Ich finde deinen Text sehr informativ und lehrreich. Bis dahin kannte ich den Begriff einer Ganerbenburg nicht einmal. Wieder etwas dazu gelernt, danke dafür. Auch eine alte Seitenwind-Augfabe zu verwenden finde ich gut. Tolle Übungen für zwischendurch. Von mir hättest du damals dafür ein Büchlein bekommen. Ich wünsche dir eine erfolgreiche Reha, alkes Gute für dich.

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