Originaltitel: The God of Small Things
Autorin: Arundhati Roy
Herausgeber : FISCHER Taschenbuch
Sprache : Deutsch
Umfang : 448 Seiten
Ich habe selten einen Roman gelesen, der eine derartige literarische Größe und Sprachgewalt repräsentiert, wie Der Gott der kleinen Dinge. Er gehört zu jenen Werken, die mich darüber nachdenken lassen, ob es nicht besser wäre, künftig nur noch zu lesen.
Vor der Kulisse Südindiens, besser gesagt Kerala, noch genauer, in Ayemenem, wie es heute heißt, ist die Handlung dieses Buches verortet. Sie beschreibt eine tragische Liebesgeschichte im Milieu des indischen Mittelstandes, vor allem aber setzt sich diese Geschichte mit der machoid/religiös geprägten und durch und durch verlogenen Kasten-Gesellschaft Indiens ebenso, wie der, für liberale Europäer unvorstellbaren Behördenwillkür kritisch auseinander. Dennoch kommt all dies nicht mit dem Holzhammer daher. Roy profiliert mit feiner Feder, alle Figuren wirken plastisch, sie schafft auf nahezu jeder Seite lebendige Atmosphäre und spürbare Sinnlichkeit, Vergleiche und Metaphern, dass mir beim Lesen die Spucke wegblieb.
Enorm bildhaft zeigt sie den Lebenslauf dieser Familie, führt uns durch alle Höhen und Tiefen, schreckt vor keinem Tabu zurück. Selbst schrecklichste Szenen, und ja, die gibt es, erscheinen leise, wie auf Taubenfüßchen, und sind doch so enorm ausdrucksstark und vielsagend. Zugleich ist dieses Buch ein farbenprächtiges Portrait Südindiens, seiner grandiosen Landschaft, seiner Bewohner, ihrer Hoffnungen und Träume, ihres Lebens und Sterbens.
Der Gott der kleinen Dinge ist ein sprachliches Meisterwerk. Ich zähle es zu den besten Büchern die ich gelesen habe und verneige mich anerkennend vor dieser Autorin.
Suzanna Arundhati Roy wurde 1961 in Shillong, Meghalaya (Nordostindien) als Tochter eines Teeplantagenbesitzers geboren und wuchs in Aymanam, einem christlich geprägten Gebiet im südindischen Bundesstaat Kerala als Tochter einer Thomas-Christin und eines Hindu auf. Jahre später zog sie nach Delhi, wo sie auch heute noch lebt. Für ihr Erstlingswerk, Der Gott der kleinen Dinge erhielt sie 1997 als erste indische Frau den renommierten Booker Prize.