Da meine Adventsgeschichte nicht mehr berücksichtigt werden konnte in der diesjährigen Runde, reiche ich diese hiermit nach.
Grund dafür war ein Veröffentlichungsverbot durch einen Kurzgeschichtenwettbewerb, bis zur Drucklegung der evtl. Gewinnertexte. Da diese Geschichte in die Adventsanthologie aufgenommen und gedruckt wurde, hat es sich gelohnt. Da nun das Buch erschienen ist, darf ich den Text hier posten.
Ein Tag wie jeder andere
Ungeduldig blickte ich auf meine Uhr. Der große und der kleine Zeiger ergänzten sich perfekt zu einer geraden Linie: Es war 18 Uhr. Pünktlich kam der Pfarrer und bestieg umständlich die Kanzel. In der Kirche war es nun ruhig; nur einige Babys unterbrachen das erwartungsvolle Schweigen der Gemeinde.
Zwei Tannenbäume waren zunächst geschmückt und dann jeweils rechts und links vom Altar aufgestellt worden. Viele Kerzen brannten – echte Kerzen, deren Flammen um ihren Docht tänzelten und die bei jedem Luftzug auszugehen drohten.
Der Pfarrer begann mit der Predigt. Er redete von der jungfräulichen Maria, von ihrem Mann Josef, von den Heiligen Drei Königen, von den Hirten und von den Engeln. Nur von Weihnachten redete er nicht. Kein Wort vom Stress der Mutter, für das Fest alles perfekt vorzubereiten, kein Wort davon, wie schwierig es war, für jeden ein passendes Geschenk zu finden, kein Wort von der aufregenden Vorfreude auf die Bescherung.
Schließlich war die Weihnachtsmesse beendet. Ich war der Erste am Wagen und mir schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis auch meine Eltern und meine Geschwister eintrafen.
Zuhause angekommen stürzte ich in mein Zimmer und griff hastig nach den Weihnachtsgeschenken, die ich schon extra bereitgelegt hatte. So bewaffnet beeilte ich mich, zum Christbaum zu kommen, wo schon alle versammelt waren. Wir sangen ein langweiliges Weihnachtslied, das mehr Strophen hatte, als ich kannte.
Endlich wurden die Geschenke verteilt. Ich bekam vier an der Zahl und machte mich gleich daran, sie auszupacken. Voller Ungeduld riss ich das Geschenkpapier ab. Es war bestimmt das, was ich mir so innig gewünscht hatte.
Das Summen des Elektroweckers ließ mich aus meinem Traum hochfahren. Eine beinahe, doch nicht ganz blecherne Stimme verkündete: »Heute ist Mittwoch, der 24.12.2042. Dein Tagesplan sieht vor, dass …«
Ich hörte nicht mehr hin, sondern versuchte, so viel wie möglich aus meinem Traum zu behalten. Es gelang mir nicht. Ich stieg aus meiner Antigravitationsliege und zog mich besonders fein an.
Doch niemand würde es bemerken.