Adventskalender - 18.12.2024

Weihnachten bei Familie Seidhart (von Super Girl)

Jonas neuer Geisterfreund war unter den Geschwistern der Familie schnell Ge-sprächsthema Nummer Eins. Auch wenn Jonas‘ Vater immer noch nicht daran glaubte, dass solche magischen Wesen tatsächlich existieren. Die Mutter hingegen nahm das „Spiel" der Jüngeren mit Humor. „Soll doch jeder glauben, was er will“, betonte Max, der zu Besuch gekommen war.

Die Kinder durften der Mutter beim Plätzchen backen helfen, was sich Roman und Ricky nicht zweimal sagen ließen. Jonas zeigte Richie, dem Junggeist und Max, seinem besten Freund, einen Geheimgang im Hause der Familie. Genauer gesagt handelte es sich hierbei um einen zweiten Hauseingang vom Keller aus, aber das war Jonas egal. Der Tatendrang nach neuen Abenteuern hatte ihn gepackt, so wurde dieser Plan schnell in die Tat umgesetzt.
„Wo ist hier ein Geheimgang?“, fragte Ricky.
„Im Keller natürlich. Bleib du mal lieber bei den Plätzchen, junge Dame, damit sie nicht verbrennen“, antwortete daraufhin die Mutter. Die Siebenjährige Ricky wollte aber lieber spielen, so tauschte sie ihren Platz mit dem etwas ruhigeren Max.

Jonas durfte den Sheriff spielen, Ricky wollte ein Cowboy sein und Richie wurde zum Geister-Häuptling ernannt. So konnten sich die Drei ein bisschen die Zeit vertreiben, bis es zur Bescherung im Hause der Familie kam. Max war nicht so neugierig wie Ricky, so blieb er bei den Plätzchen in der Weihnachtsbäckerei. Er rollte den Teig auf dem großen Küchentisch der Familie aus. Erst danach durfte Rickys Zwillingsbruder Roman die Ausstechförmchen holen und die Plätzchen aus dem Teig ausstechen. Da Max ein ruhiges Händchen hatte, konnte er die fertigen Plätzchen in den Ofen schieben, ohne dass der Teig dabei verrutschte.

Sheriff Jonas patrouillierte zur gleichen Zeit mit seiner Mannschaft durch den Keller. Cowboy Ricky und Häuptling Richie assistierten ihm dabei. Da Richie nicht wusste, was ein Häuptling ist, erklärte es ihm Ricky, die schon ziemlich schlau für ihr Alter war.
„Wenn ich groß bin, will ich ein echter Cowboy werden. Also einer, der bei der Polizei arbeitet“, informierte sie den Junggeist, den sie nicht sehen, aber gut hören konnte. Dafür konnte Jonas Fremdwörter gut erklären, so dass die anderen aus seiner Gruppe diese auch verstanden.
„Ich will Naturforscher werden und irgendetwas mit Tieren oder Pflanzen arbeiten, das habe ich Richie bereits erzählt“, gab Jonas daraufhin zu Wort. Vorsichtig schlich sich seine Patrouille voran, an dem „schnarchenden Eisbären“ vorbei, tappte leise durch das Kellerzimmer und stibitzte sich einen alkohol-freien „Glühzauber“.
Als Richie fragte, was es mit dem „schnarchenden Eisbären“ auf sich hatte, erklärte Jonas an ihn gewandt, dass seine jüngere Schwester den Gefrierschrank der Familie in einen „schnarchenden Eisbären“ umbenannt hatte, zumal dieser ein Surren und Murren, das nicht von dieser Welt stammen konnte, von sich gab.

Jonas selbst gab sich alle Mühe, das Spiel für Ricky so interessant wie möglich zu gestalten. Richie durfte ihm dabei helfen, zumal Sheriff Jonas langsam die Ideen ausgingen. So versteckte sich Richie kurzerhand hinter der Wäschetrommel und begann auch schon mit einem gespielten „Angriff der Indianer“. Mit der Flasche „Glühzauber“ in der Hand simulierte Jonas einen Schuss aus der mitgebrachten Pistole. „Daneben, daneben, nicht getroffen, Punsch gesoffen“, grinste daraufhin Richie. „Ich meine natürlich ausgetrunken, abgewunken. Neues Spiel, es darf gezaubert werden. Hokuspokus…“
„Halt, stopp. Doch nicht vor Ricky. Die petzt das doch gleich Roman oder noch schlimmer, unserer Mutter“, wandte Jonas sofort ein.
„Bitte was? Stimmt doch gar nicht.“
„Richie kann wirklich zaubern“, gab Sheriff Jonas zu Wort. „Aber das kannst du nicht für dich behalten, wenn ich noch mehr erzähle, oder?“
„Gar nicht wahr. Ich kann Geheimnisse sehr wohl für mich behalten. Jonas, du bist gemein. Wenn ihr mir nicht erzählt, was los ist, dann sag ich es Mutter sehr wohl.“

Diese Drohung würde Ricky in die Tat umsetzen. Da kannte Jonas‘ Schwester keine Gnade. Zumal sie stets die Wahrheit sagte und niemandem etwas verschweigen konnte. „Spielstopp, ich muss kurz nachdenken und etwas mit Häuptling Richie besprechen. Vielleicht können wir auch ohne Attacke friedlich verhandeln. Aber das kann nur ich, weil ich der Sheriff bin. Also der Älteste in unserer Patrouille."

So setzten sich Richie und Jonas kurz zusammen, um das Spiel tatsächlich friedlich zu beenden. Geheimnisvoll flüsterten sie miteinander. Angespannt spitzte Ricky die Ohren, denn sie wollte auch wissen, was es da so Interessantes zu bereden gab. Nur etwas widerwillig rückten die beiden Abenteurer schließlich mit der Sprache heraus. „Geister gibt es wirklich“, fing Jonas an zu erklären. „Richie ist noch ein Junggeist und Zauberer in Ausbildung an einer Akademie für magische Künste. Er hat schon einige Male den Unterricht geschwänzt und müsste jetzt eigentlich in Geschichte der Zauberei sein. Stattdessen spielt er mit uns. Das ist ausnahmsweise mal die Wahrheit“, sprudelte es aus Jonas heraus. Richie schämte sich ein bisschen für sein eigenes freches Verhalten, als Jonas petzen durfte, um die jüngere Schwester über alles aufzuklären. Über diese Ansprache staunte Ricky noch mehr. „Wenn dir das zu kompliziert ist, lassen wir es lieber“, fügte Jonas im Flüsterton hinzu. „Aber du musst versprechen niemandem etwas davon zu erzählen. Außer uns weiß sonst nur Max Bescheid. Und der ist im Gegensatz zu dir oben in der Weihnachtsbäckerei beim Plätzchen backen."

Da der Geheimgang für Ricky nicht mehr interessant genug war und sich die zweite Haustüre sowieso nicht aufsperren ließ, weil sie verriegelt war, beendeten die Drei ihr Spiel. Bis Richie eine gute Idee kam. „Ich könnte diese Türe für euch öffnen, aber dann gibt es sicher Ärger. Ich darf eigentlich nicht in fremden Kellern zaubern“, flüsterte der Junggeist an Ricky und Jonas gewandt. Ricky Zuliebe machte er dieses Mal jedoch eine Ausnahme und demonstrierte der jüngeren Schwester, dass er eben doch zaubern konnte. „Hokuspokus, dreimal links und rechts im Stich, diese Tür, sie öffne sich“ lautete hierzu der Zauberspruch. Wenige Sekunden später öffnete sich die Türe mit einem lauten Klick und Klack. Doch kaum, dass die Abenteurer den Geheimgang auf Zehenspitzen durchschritten, kam ihnen ein erwachsener Mann mit mehreren Getränkekis-ten entgegen. „Was treibt ihr da unten, Kinder?“, fragte der feindliche Spion, der sich als Jonas Vater entpuppte und vom Einkaufen zurückgekommen war. „Ach, wir spielen nur“, log Jonas, um das Geheimnis von Richie zu schützen. „Genau“, fügte Ricky hinzu. „Wir haben die ganze Zeit über nur gespielt. Ehrenwort. Richie ist überhaupt kein Geist, der ist nämlich ein echter Häuptling. Wir haben da was falsch verstanden“. Jonas traute seinen Ohren kaum. Lügen konnte Ricky plötzlich richtig gut!

Der Nachmittag war dank der Abenteuerspiele schnell vergangen. Max wollte sich schon von Jonas verabschieden und zur eigenen Bescherung nach Hause gehen, da öffnete sich die Türe und die Eltern des Plätzchenbackers traten ein. Darüber staunten die Kinder. Man wünschte sich frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Max’ Vater hatte die Entscheidung getroffen gemeinsam mit Jonas‘ Familie Weihnachten zu feiern. Zumal die Familie Stein schon lange nicht mehr zu Besuch bei den Seidharts war. Die Überraschung kam dafür umso besser bei den Kindern an. „Wer so tolle Plätzchen bäckt, der hat sich eine Weihnachtsfeier bei seinem besten Freund redlich verdient“, fügte die Mutter von Max hinzu. Sie lächelte. Was nämlich keiner der Abenteurer wusste: Max redete im Schlaf!

Richie durfte im Hause der Familie ebenfalls mitfeiern. Jonas schenkte ihm ein Notizbuch, das beide gemeinsam nutzen durften, um verschiedene Einträge vorzunehmen. Für ganz persönliche Geheimnisse, die keiner wissen durfte!

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Kurze Frage: Darf man bei dem Kinderspiel „Cowboy und Indianer“ überhaupt noch Indianer schreiben? Es ist ja nur für ein Kinder- und Jugendbuch. Der o.g. Text ist nämlich ein Auszug aus meinem Buch „Geheimnisse hinter dem Nebelwald“ und besagtes Kinderspiel kommt noch ein, zweimal darin vor.

Gruß

Super Girl

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Eine süße Kindergeschichte mit „Bullerbü“-Flair!
Hier im Forum gibt es, hoffe ich, keine strenge ‚Sprachpolizei‘ und auch ich erzähle stets, wir hätten als Kinder gerne Cowboy und Indianer gespielt. Solltest du jedoch eine Veröffentlichung im Visier haben, würde ich diese Klippe umschippern. Zu viele Leser haben Vergnügen daran, sich an solchen Formulierungen abzuarbeiten. :wink:

Ich selbst habe für eine, meiner Kurzgeschichte nachgeschaut: Während sich die nordamerikanischen indigenen Völker in Kanada als First Nation bezeichnen, nennen sie sich in den USA Native Americans oder American Indians (also Indianer).

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So eine unpackbar süße Geschichte sollte mit allerliebsten Bildern verziert werden und nicht mit sprachpolizeilichen Humbug.
Eine klassische SuperGirl-Story, findet der alte Donauindianer Gschichtldrucker. Danke für das Lächeln vor Sonnenaufgang.
Hugh, ich habe gesprochen!

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Süße Geschichte! Danke schön.:smiley:

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Eine :heart:ige Geschichte, Supergirl. Ich finde auch die Mischung im Adventskalender ist vorzüglich :chocolate_bar::candy:. Ich meine die Abwechslung zwischen heller und dunkler Schokolade. :upside_down_face::slightly_smiling_face:

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Ich habe es sehr genossen, deine Geschichte zu lesen. Alle Kinder sollten so aufwachsen. Mit viel Platz für Phantasie und Bewegungsfreiheit. Sehr schön, SuperGirl. Und auch hier nochmal Danke für die Idee und Umsetzung dieses Kalenders.

Als Kind war ich auch immer Indianer, nicht Indigene und auch nicht Indianerin. Vollkommen frei von Genderwahn und Political Übercorrectness, aber voller Liebe und Bewunderung für Winnetou, seinen Mut und sein Volk. Allerdings haben wir auch „10 kleine Negerlein“ gesungen, ohne wirklich über den Text nachzudenken.

Ich sehe es wie Heather. Für eine Veröffentlichung würde ich ein Vorwort wählen, z.B., dass einige Worte und Begriffe nicht dem heutigen Sprachstandard entsprechen, aber aus Gründen des zeitlichen Kontextes so stehen. Irgendwas in der Art.
Dann, bei dieser Geschichte, einfach eine Jahreszahl einfliessen lassen, in der dieser Begriff „noch erlaubt“ war.
Edit: achja, wie war das? Persönliche Meinung ohne Anspruch auf Rechtsgültigkeit :wink:

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Sehr schöne Geschichte :heart:

Ich kann mich da meinen Vorrednern nur anschließen.

Ich hoffe auch, das dieser Schwachsinn nicht in das Forum Einzug halten wird.

Danke für die kleine Reise in die Kindheit. :blush:

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„Hokuspokus, dreimal links und rechts im Stich, diese Tür, sie öffne sich.“

Begleitet mich schon den ganzen Tag, wie ein Ohrwürmchen. Ob eigene Autotür oder beim Kunden. Supersüße Geschichte. Danke dafür.

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Danke für die netten Kommentare. Ich finde es sowieso nervig, dass man heutzutage bei manchen Bezeichnungen so aufpassen muss, dass man nichts Falsches sagt. Das mit dem Hinweis im Vorwort ist keine schlechte Idee. Die „Vergangenheitsgeschichten“ von Jonas und Richie sollen ja auch noch vor der 2000er-Wende spielen. Also ca. 1998/1999. Als man noch „Indianer“ sagen durfte…

Gruß

Super Girl

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Indianer darf man heute auch noch sagen.

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Die indigene Bevölkerung in Amerika nennt sich selber „Indians“ oder „American Indians“. Das deutsche Wort dafür ist nun mal Indianer. Warum sollten wir diese nicht mehr so bezeichnen dürfen, wie sie es selber tun?

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Wie sagt man bei uns in Wien: „Net amoi ignoriern, den Blezin!“

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sehr schöne Geschichte :slight_smile:

ja… ich weiss nicht, das ist gerade der suggerierte Zeitgeist. Auf der einen Seite glaube ich schon, dass Sprache auch Bewusstsein schafft und Versprachlichung ziemlich viele Rückschlüsse zulässt. Auf der anderen Seite ist es einfach so, dass es eine sehr laute, kleine Gruppe von Ultras gibt, die meint, ihre moralische Überlegenheit durch solche Diskussionen beweisen zu müssen.

Für mich ist „Indianer“ ein so dermassen positives Wort. Was habe ich mit den Figuren gespielt, Häuptlingsfedern beim Spielen getragen, Filme geschaut, später Bücher gelesen - und zwar von den bekannten „Klassikern“ bis hin zu Romanen in der Neuzeit über die Nachfahren in Reservaten, hab mich mit der Entwicklung der Bevölkerungsgruppen beschäftigt usw usf

Kurzum: für mich ist das Wort von soviel positiven Erinnerungen, Geschichte und Respekt geprägt, ich lasse mir garantiert von keinem pseudointellektuellen Berufs-Empörer den Begriff verbieten. Etwas anderes wäre es, wenn sie es selber so sehen würden, aber @Koebes hat es ja schon gesagt - dem ist nicht so.

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Eine wundervolle Geschichte mit so viel Wärme und Herzlichkeit. Ganz toll.
Schreib so, wie es dir passt. Wenn die Kinder „Cowboy und Indianer“ spielen, dann tun sie das eben. Wer sich daran stört, braucht es nicht lesen (Meine Meinung)

Und nochmals Danke für den großartigen Adventskalender. Der hat sich richtig gelohnt.

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Danke für die netten Worte!

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