Hallo an alle,
eigentlich hätte ich nächste Woche Urlaub gehabt, aber der wurde wegen systemrelevanter Unabkömmlichkeit gestrichen. Dabei hatte ich so viel vor. An dem Text über das Auktionshaus weiterarbeiten, WhatsApp-Sticker basteln, die Kinder nerven. Und überlegen, was ich hiermit mache:
Plattentektonik wird nicht durch gewaltige unterirdische Lavaströme ausgelöst, sondern durch große Brüder. Sie schwingen ihre Schwerter und hacken auf die Welt des kleinen Bruders ein. Jeder Gott hat seine eigene Welt, das wird gemeinhin als Monotheismus bezeichnet. Kleine Götter haben kleine, unreife Welten, die brodeln und voller vulkanischer Aktivität sind. Wenn die Götter älter werden, wächst ihre Welt mit. Das herumrollen der Welt auf dem Küchenboden nach dem Abendessen sorgt übrigens für den evolutionären Urknall.
Ein Gott spawnt gleichzeitig mit seiner Welt. Leider befinden sich beide am Anfang in ziemlich rohem Zustand. Für die Welt bedeutet das, eine kochende, rotglühende Kugel zu sein, für den Gott sich in dem Zustand eines hilflosen Säuglings zu befinden. Eventuell ist er in der Lage, die eine oder andere Schlange zu erwürgen. Wie gesagt, ziemlich hilflos.
Xyle, Göttin der liegengebliebenen Aufgaben, und ihr Gatte Terro, ein Held, hatten ein weiteres Kind gezeugt. Sie nannten es Gotta und vertrauten es der Ziege Amaltheia 4711*an, die sich bereits um ihre anderen Kinder gekümmert hatte. Xyle und Terro interessierten sich mehr für den Zeugungsakt als für die Aufzucht ihrer Kinderschar. Sie vertrauten auf die Sozialisation des göttlichen Bildungssystems. Warum einem Profi reinpfuschen, der sich richtig Gedanken gemacht hatte und außerdem schnell beleidigt war. Keiner machte Athene bei Bildung was vor.
So lieferte Xyle ihren Sohn Gotta an seinem dritten Geburtstag an der Pforte Primärerziehung Stufe I ab. Sie gab ihm einen zerstreuten Kuss, in Gedanken bei der wichtigen Aufgabe, die sie dringend erledigen musste, an die sie sich im Augenblick aber nicht erinnern konnte.
Gotta wurde von der Erzieherin Hebe, im Nebenberuf Antialkoholikerin, in Empfang genommen. Als erstes nahm ihm Hebe seine Welt ab und stellte sie in das Regal über seinen Schuhen und seiner Jacke. Gemeinsam betraten sie den Gruppenraum. Götter in Gottas Alter rannten herum und taten das, was Götter und Dreijährige tun, sich verbrüdern und andere ärgern. Hebe klatschte in die Hände, was die Aufmerksamkeit der kleinen Götter wecken sollte, aber keine Auswirkungen hatte. Hebe war der Ansicht, dass der Gebrauch von zu viel göttlicher Macht korrumpiert. Darum leitete sie ihre Gruppe mit pädagogischen Maßnahmen. Bedauerlicherweise lernten die kleinen Götter sehr schnell, dass man Pädagogik sanktionslos ignorieren kann und reagierten prinzipiell nicht. Wenn Hebe etwas erreichen wolle, blieb ihr nichts anderes übrig als göttliche Macht anzuwenden und den Kindern (Anm. d. Verf.: aus Gründen der Lesbarkeit werden im Folgenden kleine Götter und Kinder synonym verwendet) ihren Willen aufzuzwingen. Nachdem ihr Klatschen nichts bewirkt hatte und auch der Versuch mit einer Klangschale das gewünschte Verhalten nicht hervorgebracht hatte, runzelte sie leicht die makellose Stirn und wies die Kinder an, sich im Kreis um sie zu setzen. Es klappte und Hebe seufzte innerlich, unzufrieden mit sich. Sie legte die Hände auf die Schultern von Gotta, wobei sie in die Knie gehen musste, und stellte ihn den anderen Kindern vor.
*Eine Ziege Amaltheia reicht einfach nicht für die zahlreichen Nachkommen der Götter.
Ein schönes Wochenende und bleibt gesund!