Motivation für Charaktere: Religion

Nur als Anregung:
Miguel Farias u. a.: Supernatural belief is not modulated by intuitive thinking style or cognitive inhibition. Scientific Reports, 7/15100, 2017, DOI: 10.1038/s41598-017-14090-9

Fazit der Psychologie: Glaube ist in einer Gesellschaft nicht intuitiv, sondern zu großem Teil sozialisiert weitergegeben.

Kein Anspruch auf Richtigkeit oder Wertung von meiner Seite. Dies ist keine Bewertung von Religion. Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass Glaube subjektiv glücklich und stärker machen kann.
Es ist auch nicht Bestandteil oder Wertung der Frage ob etwas „Übergeordnetes“ extistiert.
Ausgangsfrage war aber ja eine andere.

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Im Ärzteblatt Ende 2024 war ein schöner Artikel über Psychologie und Natur der Religion. Ich hab ihn mal rausgesucht.Religion und Religiosität

Ich bitte das nur als Information zu verstehen. An inhaltlicher Diskussionen oder Wertungen werde ich mich nicht beteiligen.

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Akzeptiert. :slight_smile: Ich weiss auch nicht mehr, wer das war. Ist inzwischen auch nicht mehr von Belang.

Auf den Rest mag ich hier nicht eingehen, weil wie gesagt, es sollte ja hier keine Diskussion über Religion an sich werden.

Zur Ausgangsfrage: Was die meisten sich erhoffen vermag ich nicht zu sagen. Der weitaus grösste Teil der Menschen, die gläubig sind, die ich kenne, sind es aufgrund einer persönlichen Begegnung, die in jedem Fall ganz unterschiedlich ausfallen kann. Das Beispiel, das ich am 17.01. um 09:00h geschildert habe ist ein solches mögliches Szenario. Zugegeben, es ist nicht 100 %-ig fiktiv, aber das macht ja nichts.

Ganz im Gegenteil. Oder was denkst du, was mit „Jüngstem Tag“ gemeint sein könnte? Egal welche der grossen (monotheistischen) Weltreligionen du anschaust gibt es irgend eine Form von „Abrechnung“. Da wird man bewertet, zur Verantwortung gezogen etc.
Vergebung heisst nicht, keine Konsequenzen tragen zu müssen. Das wäre zu irdisch und Diesseits bezogen.

Wovon redest Du da? Nehmen wir doch einfach die Beichte. Man erklärt seine Sünden, erhält Absolution und ist raus aus dem Schneider.

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Ja, der Großteil hier schweift tatsächlich von meiner Eingangsfrage ziemlich ab.

Mir ging es darum, was könnte einen meiner Charaktere zum Beispiel am Totenbett dazu zu bringen, zu sagen, ich habe an das richtige geglaubt? Und selbst wenn es der berufliche Erfolg gewesen wäre, als Quasi-Religion? Dass jemand am Ende seines Lebens sagt, zum Glück habe ich 12 Stunden am Tag im Büro verbracht ^^

Oder was bringt einen dazu, der Überzeugung zu sein, dass es richtig ist, jedes halbe Jahr in die Tiefen des Waldes zu pilgern, um dort eine Ziege zu opfern? Vielleicht eben, weil er wie @Ho.Ro meinte, Zeuge eines kleinen Wunders wurde? Oder weil mein Charakter, wie @Anachronica meinte, vor allem einer Gemeinschaft angehören möchte. Um vielleicht auch nicht als Abweichler zu gelten?

Also so tatsächliche Sachen, die ich meinen Charakteren umhängen kann, so als Charaktertrait, ein bisschen Background oder Hintergrundgeschichte. Die Überzeugung tief im Inneren, ohne sich mit theologischen Fragen beschäftigt zu haben. Unabhängig von Bibeln, Dogmen und dergleichen. Diese katholischen Sachen gibt es in meiner Fantasywelt eben einfach nicht.

Wie eben @IsHa so recht bemerkte, funktioniert die Wandlung der Persönlichkeit meiner Figur nur dann, wenn sie glaubhaft ist. Daran arbeite ich. Aber um erst einmal zu wissen, warum mein Charakter „vom Glauben abfällt“, sollte ich wissen, was ihn überhaupt dazu bringt? Zumindest ich tu mir sonst hier schwer, ohne dass ich das Gefühl habe, dass es „künstlich“ ist. Er war gläubig, weil es die Story so wollte, und jetzt ist er es eben nicht mehr, weil auch das die Story so will. So was fand ich immer schon doof.

Leider habe ich momentan kein Netflix, jetzt kann ich mir die Doku von @Amirapewpew nicht anschauen, aber ich denke ich hab recht gut verstanden, was du meintest.

Hier bietet sich mMn eine Bezugsperson an, die dem Prota seine Kinderfragen nach dem Warum beantworten konnte. Der Glaube der Gemeinschaft ist da, Prota wird reingeboren, kommt in die Warumphase und eine Art Mentor, Großmutter oder was auch immer, ist zur Stelle und kann seine Fragen im Sinne des Glaubens beantworten.
Irgendwann im Laufe des Lebens kannst du dann ein Ereignis setzen, das Prota ins Zweifeln kommen lässt.
Mentor wird verstoßen, ein respektloses Gespräch der Oberen wird belauscht, sowas halt.

Er wird in einem kleinen Dorf geboren, in einer gläubigen, aber recht einfachen Gemeinschaft.
Dann beginnt sein Leben in der Kirche, er reist durch das Reich, sieht die riesigen Kathedralen, die prächtigen Klöster.
„Wie kann etwas so Schönes nicht richtig sein?“ Oder so was ähnliches ist vielleicht sein inneres Motto.
Im Laufe seines Lebens im Dienst der Kirche hat er so einiges gemacht, das er nicht gut fand, aber seine Zweifel hat er immer verdrängt.
„Die Kirche weiß was richtig ist. Die Kirche weiß, was gut ist.“
Aber eine Sache spitzt sich zu, er hinterfragt, kann es nicht mehr verdrängen.
In einem Gespräch mit einem Abt (?) will er Klarheit, wie er seine Zweifel ausräumen. Aber alles, was er hört, wirkt auf ihn nur mehr fadenscheinig und auch scheinheilig…

So vielleicht?

Warum nicht. Du bist vollkommen frei. Das kannst du gut beschreiben, dieser junge Mensch mit seinen Idealen, dessen Augen leuchten ob der Schönheit der Gebäude, Gegenstände, Rituale, Gesänge. Das hat ja alles seinen Zweck.

Du kannst ihn dann im Laufe des Buches vom Glauben abfallen lassen, was dir die Chance für viele kleine Erlebnisse, Zweifel, Gedanken gibt. Und am Ende sogar ein Erweckungserlebnis einbauen, das ihm im Sterben den Glauben zurückgibt.
Was immer du willst, es ist deine Geschichte.

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Dann beginnt sein Leben in der Kirche, er reist durch das Reich, sieht die riesigen Kathedralen, die prächtigen Klöster.

Ich weiß nicht ob du das gefühl kennst, in eine riesige Kirche/ Dom /Kathedrale zu treten und du spürst die grösse und Macht von sagen wir mal Glaube. Erfurcht.
Das geschickte Lichtmanagement, kunstvolle Gestaltung prunk im Namen eines Gottes. Das beeindruckt unheimlich .
Dann stellt sich heraus, der Geistliche ist auch nur ein Mensch mit Fehlern ,wie Gier, Neigungen Missgunst.
Je älter er wird um so klarer wird das Bild, das Kirche und glaube Zwei paar Schuhe zu sein scheinen. Vielleicht verliert nicht unbedingt den Glauben an seinen Gott aber an die Institution an sich.

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Vielleicht wenn die ganze Familie, Belegschaft der Firma, seine Kameraden aus der militärischen Einheit, you name it … um ihn versammelt sind, wenn er im Sterben liegt. Diese Art der Respektsbezeugung solange jemand noch lebt wiegt schwer und zeigt, dass man nicht alles falsch gemacht haben kann. Sowas könnte diesen Eindruck beim sterbenden Menschen auf starke Weise bewirken.

Ich denke, äusserliche (Abweichler, wiederholtes Ritual aufgrund eines Wunders) Sachen reichen nicht aus, um jemandem in den letzten Zügen zu einer von dir erwähnten Regung zu veranlassen. Was da zum Vorschein kommt sitzt tief drinnen und hatte diese Person zu Lebzeiten nicht nur beeinflusst, sondern geformt.

Lobenswert, ist es nämlich auch.

Zum Thema abfallen vom Glauben kann ich mir einiges vorstellen, und hierbei gehe ich mal davon aus, dass in seiner Welt und auch bei ihm gläubig sein als etwas grundsätzlich positives wahrgenommen und erlebt wird.

  • Er gerät in falsche Gesellschaft, die füllt seinen Kopf mit seltsamen Ideen (irgendwas halt, was seinem Glauben entgegen steht, Bspw. die Gier nach Geld, wenn sein Glaube ihn das Heil in der Armut oder zumindest Freigiebigkeit lehrt usw.) die ihn über die Zeit vom Glauben abbringen
  • Er erlebt etwas schreckliches und findet keine Antwort darauf, warum ihm oder jemandem der ihm nahe stand sowas passierte
  • Er denkt auf eine andere Art als die anderen und fühlt sich dadurch in vielen Dingen unverstanden. Er kann aber auch nicht von seinem eigenen Denken „zurücktreten“ und seine eigene Situation aus mehreren Blickwinkeln betrachten

Das wären drei mögliche für mich nachvollziehbare Erklärungen, warum jemand vom Glauben abfallen könnte.

Hoffe das hilft.

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Beichte = Begangenes Fehlverhalten bekennen, Vergebung von Gott erhalten. Dass die katholische Kirche daraus eine Pflicht gemacht hat steht auf einem anderen Blatt.
Das hat aber nichts damit zu tun, dass man für die Konsequenzen seiner Taten nicht trotzdem gradestehen muss.
Extrembeispiel: Herr Meier bringt Herrn Gerber um. Er kommt zu der Erkenntnis, dass das eine schlimme Tat war. Er bereut die Tat. Er bekennt seine Tat vor Gott. Ihm wird vergeben. So lehrt es zumindest die Kirche, einfach um bei deiner Frage zu bleiben.
Das alles hat jedoch keinerlei Auswirkungen auf die (irdischen) Konsequenzen seiner Tat. Denn Mord ist ein Verbrechen, das nicht angezeigt werden muss sondern auf jeden Fall strafrechtlich verfolgt wird. Er muss also ins Gefängnis oder wird hingerichtet.

Darauf wollte ich hinaus.

Was nun wirklich überhaupt nichts mit Glaube zu tun hat, sondern mit Gesetzgebung und Rechtsstaat.

  1. Ja, wir sind hier stellenweise vom Thema abgewichen.
  2. Du übersiehst grade eine wichtige Regel: Kontext. Ich habe auf die Aussage von @Rapyuta reagiert, keine initiale Aussage über Gesetzgebung getätigt. Dass man in solchen Fällen manchmal etwas ausholen oder erweitern muss sollte klar sein.

Naja, mir ging es ja um die Frage, wodurch solche Gedankenkonstrukte wie Religionen überhaupt möglich sind und da habe ich das Milgram-Experiment herangezogen. Es ging um die Frage, was Menschen suchen und woran sie sich festhalten, wenn es um Glauben geht. Ich hatte den ersten Post auch so verstanden, dass für eine Romanfigur eine Entwicklung gewünscht wird, die das Handeln glaubhaft macht. Mir ging es darum, ein tieferes Verständnis herbeizuführen.

Deine Aussagen dazu kann ich immer noch nicht nachvollziehen. Aber das muss ich auch nicht, es geht hier schließlich nicht um mich.

Wenn jemand sieht, dass Glaube funktioniert, man also Vorteile in der Gesellschaft hat, wenn die, von denen man umgeben ist, deutlich machen, dass der Glaube eine hohe oder die höchste Priorität hat und man gleichzeitig unsicher ist und Halt sucht, solltest Du die Kombination entwickeln können, dass der Glaube für den Protagonisten ebenfalls eine hohe Priorität hat. Das Milgram-Experiment zeigt ja, dass die Mehrheit der Menschen nicht bereit ist, die Dinge zu hinterfragen, sondern sich auf die Autorität verlassen. Wie Du später aufgeführt hast, muss es dann zum Bruch mit der Autorität kommen und um das glaubwürdig zu gestalten, sollte der Protagonist oder besser noch jemand, der ihm sehr nahesteht in den Konflikt mit der Autorität und der Glaubensstruktur kommen. Da hast Du dann die Möglichkeit spannende Dialoge zu entwickeln, die Dir dann die Möglichkeit geben, dass der Protagonist glaubhaft die Autorität in Frage stellt. In gedanklichen Selbstgesprächen wird das vermutlich deutlich schwerer.

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Für mich hat das Milgram Experiment und Glaube nichts miteinander zu tun. Beim einen geht es um Hörigkeit der Masse und / oder Obrigkeit gegenüber, beim Glauben um eine persönliche Beziehung die auf Wissen und Vertrauen basiert.
Vielleicht ist mein Blickwinkel auch zu spitz, ich kenne auch nicht jedes denkbare religiöse System, ich kann hierbei qualifiziert nur vom meinem und diesem nahestehenden reden. Auch meine bisherigen Tipps, um das Thema nicht völlig zu verfehlen, gründeten alle in meinen persönlichen Erfahrungen. Man soll doch über das schreiben, was man kennt. :wink:

Aber gut, ich glaube das hat sich inzwischen erschöpft.

Mich interessiert noch, ob @LazyBastard nun für seine Geschichte nutzbare Informationen gefunden hat.

Ja habe ich absolut! Allerdings bin ich noch bei der Umsetzung hin- und hergerissen. Aber ich hab etwas Zeit, das sacken zu lassen. Momentan überarbeite ich meinen ersten Band, schreibe manches prägnanter um, entflechte allzu verschnörkelte Formulierungen etc. Und ich warte auf ein Feedback was die ersten zwei Drittel meines zweiten Bandes angeht.

Bis dahin sollte ich mich dann entschieden haben, wie ich das machen möchte :sweat_smile:

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Ich habe alle Diskussionen ab dem letzten Posting des originalen Posters entfernt, weil das nichts mit dem Thema zu tun hat. Habe mir auch erlaubt, den Titel des Threads etwas genauer zu formulieren, damit es tatsächlich um schriftstellerische Kniffe geht.

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Wir sollten nicht vergessen, der Roman ereignet sich im Mittelalter. Der religiöse Einfluss auf Recht und Staat war nicht unerheblich. Den Menschen bot ihre Religion inneren Halt, Zusammengehörigkeit, Hoffnung, Kultur, gelegentlich Nahrung, Lebens- und Hygiene-Regeln.

Die Zugehörigkeit zu bestimmten religiösen Richtungen hing von geografischen, familiären, rationalen, emotionalen, empirischen, wirtschaftlichen und vielen anderen Faktoren ab.
Religionsstifter können dabei ein Vorbild gewesen sein.

Inwieweit sich aber eine religiös-vergeistigte Anschauung mit unserer weltlichen Realität verstrickt und von einem Individuum oder einer Sozietät Besitz ergreift, hängt von uns selbst ab.

Welche Auswirkung Religion zu jeder Zeit auf uns Menschen haben kann, ersehen wir allein aus dem Beispiel der mittelalterlichen Kreuzzüge. (Von unserer Gegenwart ganz zu schweigen. Aber auch der Dreißigjährige Krieg, die Hugenottenverfolgung, der Irlandkrieg sind nur weitere Beispiele.)

Deshalb glaube ich auch nicht, dass ein Hauptmann von einer Minute zur anderen so einfach seine ganze Lebenseinstellung ändert, nur weil ihn ein junges Mädchen rührt. Dafür verlangt es - meiner Ansicht nach - schon nach einem wesentlich einflussreicheren Ereignis und/oder nach einem längeren, inneren Prozess. Ww

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