Grammatikfrage indirekte Rede in der Vergangenheit

Ja. Aber. :wink: Das ist ja - bspw. im journalistischen Kontext - ein wertendes Zitat, eben weil Du hier syntaktisch den Wahrheitsgehalt graduell nur noch durch “die Info kommt von Alfred” in Frage stellst und den “zitierenden” Konjunktiv völlig vermeidest.
Will ich so richtig neutral bleiben, nach dem Motto “keine Ahnung, ob Alfred Scheiß’ erzählt …”, also sauber zitieren und nur das Zitat als solches als Info verkaufen, dann eben mit Konjunktiv Präsens (“… die Bilder **seien **besser …”).
Einig sind wir uns wohl alle, dass beim Konjunktiv im Präteritum (“… die Bilder **wären **besser …”) ein “Geschmäckle” mit auf den Weg gegeben wird, dass die Aussage vermutlich wohl Quark sein dürfte.

Für den Roman bleibe ich dabei, dass all diese “vermeintlich” und “plus/minus” Aussagen ja wohl gar nicht gemeint sind - ergo vielleicht die Nina’sche direkte Hilfsverb-Nutzung (“… **sind **besser …”), oder doch noch eine wörtliche Rede spendieren, damit’s eben nicht nach Journalisten-Deutsch oder gar nach Nominalstil klingt. Das finde ich allemal schlimmer als “zu viel” wörtliche Rede.

Und nein, mein Apostroph ist kein Plenk - das ersetzt das “W” :smiley:

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Journalisten-Deutsch wäre: „Mit der umfangreichen Erfahrung, die Mathias Busse innerhalb unserer Vertriebsorganisation sammeln konnte, wird er die erfolgreiche Entwicklung von Porsche in Taiwan weiter voranbringen“, sagt Detlev von Platen, Vorstand für Vertrieb und Marketing der Porsche AG.
(zur Sicherheit mit Quelle :roll_eyes: https://presse.porsche.de/prod/presse_pag/PressResources.nsf/Content?ReadForm&languageversionid=894116&hl=unternehmen-presseinformation )

Und (ohne Hintergründe zu kennen) - das ist dann eine Verklausulierung für “das ist das Abschiebegleis” …? Allerdings ist da überhaupt kein Konjunktiv drin :wink:

Allerdings die einzige völlig neutrale Variante :wink:

Zumindest ich verbinde “seien” mit Anzweilfung. Vielleicht bin ich aber auch nur einfach ein Zweifler :wink:

Der Konjunktiv gibt die Aussage einer dritten Person neutral weiter. In dieser Funktion gibt es keinen graduellen Unterschied zwischen Konjunktiv I und II (Neutralität ist nicht quantifizierbar). Allerdings impliziert auch eine ausdrückliche Neutralität schon indirekt einen Zweifel. Wie stark der empfunden wird, hängt sowohl vom Kontext ab, wie auch vom Leser.
Warum wir den Konjunktiv I als formelle Schriftsprache empfinden, hängt damit zusammen, dass genau diese Neutralität gegenüber Aussagen Dritter zum journalistischen Handwerk gehört. Der korrekte Konjunktiv begegnet uns also überproportional häufig in Pressetexten. In der Alltagssprache wird wesentlich häufiger Konjunktiv II verwendet, auch dann, wenn Konjunktiv I korrekt sein würde (tschuldigung …).

Und welche Version sollte Suse nun wählen?
Konjuntkiv II verwendet man, wenn das Konjunktiv-I-Verb mit der Prätoritumform verwechselbar ist und der inhaltliche Kontext hier keine eindeutige Zuordnung zulässt. Im Suses Beispiel geht es jedoch ohnehin um das Verb ‘sein’, dessen Konjunktiv-I-Form gar nicht mit dem Prätoritum verwechselt werden kann. Hier ist also Konjunktiv I die grammatisch korrekte Lösung. Ob es aber auch die ästhetisch beste Lösung ist, steht auf einem anderen Blatt.

Die Tatsache, dass Konjunktiv I aus oben beschriebenen Gründen als ‘Schriftsprache’ empfunden wird, sollte man als Schriftsteller in seine Entscheidung unbedingt mit einbeziehen. Wir sind keine blinden Vollstrecker der Duden-Gesetze. Wenn Suse eine gewisse Ferne zur Alltagssprache vermeiden will, empfehle ich hier den regelwidrigen Konjunktiv II. Selbst Konjunktiv-Fetischist Thomas Mann schrieb mal, Schriftsteller sollten ein gerüttelt Maß kriminelle Energie mitbringen - also vor Regelverstößen nicht zurückschrecken.

Ein anderes literarisches Schwergewicht: Irgendwo las ich mal, Günter Grass habe in einer Art Workshop mit jungen Autoren empfohlen, den Konjunktiv I so selten wie möglich einzusetzen.

Na also, da haben wir es doch - kriminelle Energie und Zurückhaltung bei Konjunktiv I. Dann wird’s auch was mit dem Nobelpreis …

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Offenbar dachte Günther Grass, der Konjunktiv I sei mehr etwas für alte Autoren:

*Dann kam der offenkundig zufriedene Rückkehrer plötzlich auf einen Bekannten zu sprechen. Der wohne in Vitte – einem der drei Dörfer der Insel – und behaupte »steif und fest«, mit mir in Danzig die Schulbank gedrückt zu haben. Heinrichs heiße der, ja, Wolfgang mit Vornamen.

In Heinrichs’ verhängtem Gesicht hielt sich, während er sprach, die Andeutung eines Lächelns. Prügel habe er von seinem Vater bezogen, als er zu Hause unsere ahnungslose Blödheit verspottet habe. Naja, seine Angeberei hätte Folgen haben können. Denunzianten habe es ja genug gegeben, auch unter Schülern. Der Vater sei als allabendlicher Hörer des britischen Feindsenders zu Kenntnissen gekommen, die er dem Sohn, bei gestrengem Gebot zur Verschwiegenheit, anvertraut habe.

Als wir den Freund in Vitte besuchten, war er bereits schwer krank. Seine Frau deutete an, dass es Grund gebe, sich Sorgen zu machen, ihr Mann klage über Enge in der Brust und Atemnot. Dennoch versuche er sich gelegentlich in Stralsund als Steuerberater und lerne dabei, Lücken im System zu finden.
*
Günter Grass: Beim Häuten der Zwiebel

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Gut gefunden, Raya (Mann? Verwandschaftsverhältnis?).
Nicht das erste Mal, dass Grass sich widerspricht. Obwohl: Vielleicht ist das schon, was er unter “so selten wie möglich” versteht. Es klingt übrigens tatsächlich, wie ein eher älterer Autor. Nicht unangenehm, aber schon etwas aus der Zeit gefallen. Jedenfalls in meinen Ohren.

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Hätte nicht gedacht, dass es so viele Meinungen gibt. Dabei wollte ich nur ganz leise nachfragen … . Im Prinzip wollte ich lediglich sagen, dass meine Nebenfigur einen Fotografen entdeckt hat, der eben auch gute Videoaufnahmen macht. Und das erzählt er der Hauptfigur (in einem Rückblick), ohne dafür jedoch einen Beweis vorlegen zu können.

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Die Diskussion in diesem Thread bezog sich sowohl auf Grammatik als auch auf Stilistik. Das wird mir erst im Nachhinein klar!

Erste Frage (frei nach Suse): Welcher Konjunktiv ist in der indirekten Rede korrekt?
Konjunktiv 1:* Beat meinte, es seien gute Fotos. Alfred fügte hinzu, die Videos seien ebenso gut.*
Konjunktiv 2:* Beat meinte, es wären gute Fotos. Alfred fügte hinzu, die Videos wären ebenso gut.
*
Zweite Frage (frei nach Raya): Gibt der Konjunktiv 1 die Aussage wieder, während der Konjunktiv 2 die Aussage in Zweifel zieht?

Dritte Frage (frei nach Ulli): Ist nicht jeder Konjunktiv immer eine Distanzierung von der Aussage, eine Relativierung des potenziellen Wahrheitsgehaltes, die man bloß wiedergibt, ohne sie zu bekräftigen?

Apropos Stilistik:
Tatsächlich eignet sich indirekte Rede – mit regelkonformem Konjunktiv 1 – dazu, Distanz zum Sprecher und dem Gesprochenen herzustellen, beispielsweise zu dem aufdringlichen Verehrer oder der betrunkenen Busenfreundin:

*„Sie hatte geglaubt, es könnte helfen, wenn sie mit François ein vernünftiges Gespräch führte, und ihn schließlich in ein Café begleitet. *Dort beschwor er sie, sie solle jetzt endlich ihre wahren Gefühle zulassen. Sie dürfe nicht länger verleugnen, dass sie heftige Leidenschaft für ihn empfände. Es sei ihm unverständlich, weshalb sie ihre Liebe zu ihm unterdrücke. Sie seien für einander geschaffen. Das könne doch die ganze Welt sehen. Dass sie zusammen hier bei Kaffee und Kuchen säßen, sei Beweis genug. Sie müsse auf der Stelle ihre Angst vor Männern ablegen, bevor es zu spät dafür sei. Er allein könne ihr dabei helfen. Sie habe gar keine andere Wahl. Sie wollte widersprechen, aber es fiel ihr kein zusammenhängender Satz ein. Zudem fehlte ihr die Kraft, François zu unterbrechen.“

*„Als ihr der Alkohol zu Kopf stieg, begann sie von den Tierkreiszeichen zu erzählen. *Wir beide seien Hasen und deshalb sei es typisch, dass wir es uns daheim am Kaminfeuer gemütlich machten. Wir seien eher schüchtern und vorsichtig. Jedoch nicht aus Angst, sondern aus Klugheit, weil wir die anderen Menschen durchschauten. Aber auch deshalb, weil wir in der Liebe grenzenlos und unersättlich seien. Wir wüssten genau, was für uns das Beste sei, und müssten deshalb nicht erst aus Fehlern lernen. Und jetzt beginne auch noch das Jahr des Schweines, das beste Jahr für uns Hasen. Das Schwein lüge niemals, denn es stehe für Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Es warte auf die eine wahre Liebe, auf die totale Hingabe und Leidenschaft. Aber ebenso wie die Wahrheit liebe das Schwein die Verschwiegenheit und die Geheimnisse. „Habe ich nicht Recht? Schau uns an! Verkörpern wir zwei etwa nicht das leidenschaftliche Geheimnis?“ Sie unterdrückte einen Rülpser und kicherte. „Verkörpern wir zwei nicht die geheimnisvolle Leidenschaft? Wollte ich eigentlich sagen.“ Sie begann laut zu lachen.“

Ich glaube, ich werde jeden Satz , in dem ich besagte Konstruktionen habe (sind in Summe nicht so viele), dahingehend neu bewerten, dass ich mir die Hauptaussage vor Augen führe. Welche Intention ist in dem entsprechenden Satz ausschlaggebend (Zweifel, Feststellungen-also Neutralität, Meinung, etc.). Dann lese ich noch mal den kompletten Thread, treffe eine Entscheidung bzgl. des Konjunktivs oder quengel erneut. :slight_smile:

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Ich habe einen Artikel zum Thema gefunden, der übersichtlich, praxisbezogen und undogmatisch ist. Denn die Kernaussage des Artikels lautet:
In der indirekten Rede wählt man normalerweise den Konjunktiv I. Es ist aber auch möglich, den Indikativ, den Konjunktiv II oder die Formen mit würde zu verwenden Es gibt beinahe keine festen Regeln dafür, welche Form man wählt. Die Wahl ist in vielen Fällen nicht eine Frage der Grammatik, sondern eine Frage des Stils.
http://www.canoo.net/services/OnlineGrammar/Wort/Verb/Modi/Indirekte.html

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Gerade bin ich auf diesen Thread gestoßen und möchte auch noch etwas Senf dazugeben:

In der indirekten Rede wird der Konjunktiv I verwendet, wenn dessen Formen eindeutig sind.

Eindeutig: Marie sagt, sie *komme *morgen und *bringe *das Buch mit.

Nicht eindeutig: Peter sagt, seine Eltern *haben *den Abend bei Freunden verbracht. (Konjunktiv I) → deshalb hier richtig: Peter sagt, seine Eltern *hätten *den Abend bei Freunden verbracht. (Konunktiv II).

*Wäre *statt *sei *ist Alltags- und Umgangssprache.

Ungebräuchliche Formen werden durch *würde *+ *Infinitiv *ersetzt: Er behauptete, die Scheunte *würde *schon seit Stunden *brennen *(statt brennte).

  • Stark zusammengefasst aus: Duden. Richtiges und gutes Deutsch.
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Danke für die Erläuterungen. Bei Kunjunktiv II komme ich oft ins Schleudern und bin mir nicht sicher, ob ich ihn anwenden soll oder nicht. Wenn es mir zu gestelzt klingt, bin ich manchmal den Weg gegangen, dass ich die Passage umgeschrieben habe und dann direkte Rede verwenden konnte. Vor allem kann ich dann die Redeweise zusätzlich der Figur anpassen.