Auch wenn ich spät dran bin, das Dilemma hat man ja doch immer mal wieder. Deswegen gebe ich auch mal meinen Senf dazu.
Nachdem ich alles zurücklassen müsste, was ich mir aufgebaut habe, würde ich mich vielleicht fühlen, als ob ein Teil von mir dort geblieben wäre und ich mich mit dem Ort verbunden fühle. Das ist wie ein Band, das mich mit “dort” verbindet und das nun gestreckt wird, je weiter ich mich entferne. Wie ein Muskel, der überdehnt wird. Schmerzhaft ziehend. Je weiter desto mehr.
So ging es mir, als meine Tochter zum ersten Mal auf Klassenfahrt gefahren ist. Je weiter sie sich entfernt hat, desto mehr hat es in mir gezogen. Es war schmerzhaft. Aber als die Zeit des Abholens immer näher rückte, nahm auch der Schmerz ab. Als ich den Bus ankommen sah, fühlte ich zwar immer noch die Nachwirkungen des Überstreckens, aber mehr als alles überwog die Freude.
Wenn die Person diese Verbindung nicht hat, könnten aber dennoch Erinnerungen an geliebte Orte und Tätigkeiten, die sie nun nie wieder besuchen bzw. tun kann/wird, vor dem Inneren Auge erscheinen. Das charakterisiert die Figur und beschreibt ihren Seelenzustand. Der Leser denkt vielleicht an eigene Orte und Tätigkeiten, die er nicht mehr besuchen bzw. tun könnte. Meine Oma z. B. hat immer das Grab ihrer ELtern gepflegt. Sie hätte sich nicht vorstellen können, das Grab für immer verlassen zu müssen. Wer sollte sich dann darum kümmern?
Ich bin ebenfalls spät dran, mag meine Gedanken dazu dennoch beschreiben.
Mein erster Gedanke bestand in der Beziehung der Hauptfigur zum Vater. Es kommt zur Flucht dreier Figuren, die in einer familiären Bindung zueinander stehen. Vater - Tochter - Neffe, Tochter - Vater - Cousin.
Die Schwere des Verdachts veranlasst die Familie zur Flucht. Anfangs ist die Schuldfrage für die Vorgesetzten nicht eindeutig geklärt.
Wie steht die Tochter zu ihrem Vater? Wie stark ist diese Bindung und somit das Vertrauen in dessen Unschuld? Wie geht die Tochter mit den Vorwürfen um? Wie alt ist die Tochter? Wie stark vertraut sie darauf, das alles gut wird? Die Flucht für immer setzt voraus, das der Vater entweder kein zuverlässig vertrauenswürdiger Partner ist und im Vorfeld viele solcher Situationen einher gingen oder die Schwere der Vorwürfe für eine Schuld oder Mitschuld spricht.
Ich tendiere hier eher auf eine Flucht mit Hoffnung auf eine Wiederkehr. Dabei liegen die Schwerpunkte der Emotionen der Tochter eher in Richtung Tochter als Kind in Sorge um den Vater. Kinder sind ihren Eltern gegenüber stets loyal, abgesehen von schwerwiegenden Gründen. Als Kind, kann die Tochter die Ausmaße der Flucht nicht wahrnehmen. Sie verlässt sich ganz und gar auf ihre Bindungspersonen. Wenn die Tochter sehr jung ist und der Vater sagt, wir müssen für immer fliehen, dann lässt das Raum für viel Phantasie. Handelt es sich um ein Kind, steht der Fokus im Befinden des Vaters und den Reaktionen des Cousins, den unmittelbaren Eindrücken. Sind die beiden aufgeregt? Worüber reden die beiden? Denkt sie an die Mutter? Die ihr stets Sicherheit gab? Ist ihr kalt? Was fehlt ihr gerade während der Flucht? Bei Kindern zählt der Augenblick und das unmittelbare Bedürfnis.
Ist sie bereits erwachsen, dann verfügt sie über ganz andere soziale und emotionale Kompetenzen. Was veranlasst sie zur Flucht? Wenn sie an ihren Vater glaubt, was hat sie überzeugt? Ihr drohen keine Strafen. Kann sie mit der Flucht eine Wendung herbeiführen? Oder ist sie mit belastet?